Datum: 29.8. – 1.9.2013
Ort: Rümlang – Zürich
Webseite: Zürich Openair
DONNERSTAG
(nim) Rechtzeitig zum Auftakt des mittlerweile dritten Zürich Openairs kam die Sonne und mit ihr die ersten Besucher und das Areal füllte sich langsam. Voll wurde es nicht, an diesem ersten Tag, dafür umso angenehmer, weil man weder bei den Getränke- und Essens-Ständen, noch den Sanitären Anlagen lange anstehen musste.
Während letztes Jahr das Cash-System (Monopoly Geld) für Gesprächsthema sorgte, waren es dieses Jahr die Wespen, die sich auf alles und jeden stürzten. Hoffen wir mal, dass es die Wespen und Besucher gut überstanden haben. Auf alle Fälle nichts, was die Stimmung trübte oder man den Organisatoren vorwerfen könnte. Die haben dieses Jahr so einiges verbessert. Das ganze Areal wurde auf den Kopf gestellt und neu arrangiert. Hauptsächlich, damit die Bühnen nicht Richtung bewohntes Gebiet dröhnen. Ja, ZOA, dieses Mal war es von Anfang an Top.
Den musikalischen Auftakt machten auf der Tent Stage die Indie-Rocker von Poliça, die ich aber verpasst hatte. Dafür war ich rechtzeitig bei Tomahawk am Start und genoss den speziellen Sound von Mastermind Mike Patton. Das Multitalent (Faith No More, Mr. Bungle, Fantômas, Mondo Cane u.v.a. Projekte) Patton war für viele Musikliebhaber Grund, bereits um 17 Uhr auf dem Gelände zu sein. Doch irgendwie wirkten Tomahawk für mich auf dieser grossen Bühne und unter der prallen Sonne fehl am Platz. Die Atmosphäre passte nicht zu diesem Sound und auch Patton schien nicht gerade überzuschäumen vor Enthusiasmus. Egal, trotzdem ein erstes Highlight.
Eine Stunde später, als die Sonne langsam abtauchte, ging es dann rund mit den Deftones. Einfach genial und Chino Moreno ist ohne Zweifel eine Klasse für sich. Die Abwechslung von hartem Rock und Metal Passagen mit sehr viel Harmonie und melancholischen, sanften Teilen, macht ihren Stil aus. Leider war der Ton hier nicht ideal abgemischt und klang sehr breiig. Schade, denn vorher und nachher war der Sound auf der Blue Stage 1 A. Trotzdem, Moreno war, wie schon vor zwei Wochen am Rock’n’Heim Festival, total in seinem Element und konnte nicht gebremst werden. Ich hatte schon Angst, dass er wieder von der Bühne springt. Ob ihn die überschaubare Meute vor der Bühne hätte auffangen können, bezweifle ich. Zum Glück liess er es sein, kletterte runter und begab sich so mitten ins Publikum.
An diesem Donnerstag war das Publikum vorwiegend „schwarz“, Rock sei Dank. Metal, Rock und Gothic Freunde fanden sich ein und es war wie ein grosses Familientreffen. Ein positiver Punkt beim ZOA ist sicher, dass man Tageseintritte kaufen kann und nicht nur das ganze Festival oder gar nichts. So war es für mich ein Donnerstag-only, aber dieser war dafür super.
Denn spätabends konnte ich nochmals mein Sommer-Highlight live erleben … Nine Inch Nails! Was für eine Show. Auch Trent Reznor mit seinen NIN spielten bereits auf dem Hockenheimring und bereits dort machte mich ihre aktuelle Bühnenshow einfach nur sprachlos.
Reznor kommt zuerst alleine auf die Bühne und danach ein Musiker, nach dem anderen. Danach wurden hinter jedem LED-Wände aufgestellt, auf die Schattenwürfe projiziert wurden. Sieht simpel aus, wirkt aber genial. Die Wände wurden im Verlauf der Show immer wieder „manuell“ verschoben und je nach Lied mit anderen Visuals versehen. Mal nur rauschige Bilder, die auf die Bewegungen der Musiker reagierten und dann wieder Bilder oder Farbeffekte, passend zur Musik. Ein optisches und vor allem auch musikalisch bombastisches und ekstatisches Erlebnis.
Der Perfektionist Trent Reznor hat dem Industrial neues Leben eingehaucht und wirkt auch nach über 20 Jahren Bandgeschichte frischer und zeitgemässer denn je. Egal ob schnell und laut oder langsam und leise, immer ist sehr viel Energie und Druck dahinter und ich konnte nicht anders, als vom ersten bis zum letzten Ton an mitzutanzen. Und die Show im „kleineren“ Rahmen beim ZOA wird definitiv einen Platz ganz oben, wenn nicht sogar zuoberst, in meinem Jahreshighlight einnehmen.
Auf alle Fälle kam ein Tag danach, also am 30.8. das neue Album von Nine Inch Nails „Hesitation Marks“ auf den Markt und ich freue mich schon darauf und hoffe zusätzlich, dass NIN bei ihrer Europa Tournee nächstes Jahr auch Halt in Zürich machen werden.
Ein kleines No-Go muss allerdings noch erwähnt werden. Wieso zur Hölle läuft während den Konzerten in den Partyzelten Musik. Geht überhaupt nicht. Denn gerade während der leisen Töne von der Bühne, stört das unsägliche „Bumbum“ aus diesen mächtig. Bitte stellt das in Zukunft ab. Party machen kann man auch nach dem letzten Ton der Band noch, das muss wirklich nicht sein.
FREITAG
(mars) Bei weiterhin sommerlichen Temperaturen ging es am Freitag weiter, die Besucher waren schon etwas zahlreicher als am Vortag auf dem Gelände und mit ihnen immer noch die nervenden Wespen. Der erste Headliner war Belle and Sebastian, die gegen 19:00 Uhr auf die Hauptbühne traten. Ihr fröhlicher Pop Folk und die Anzahl Musiker auf der Bühne erinnerten mich irgendwie an die Kelly Family. Egal als Background Sound um sich zu verpflegen genügten sie vollends. Auf der Tent Stage spielte derweil Tom Odell, der knapp volljährig aussehende, blonde Schönling machte das vorwiegend sehr junge weibliche Publikum mit seinen poppigen Piano Klängen glücklich.
Auf der Hauptbühne ging es um 20:45 Uhr weiter. Wer denkt sich bloss so eine Zeit aus, dass kann man sich schon nach einem Bier nicht mehr merken. Franz Ferdinand, für mich bis zu diesem Zeitpunkt eine eher unbekannte Band, packte das Publikum von der ersten Sekunde an und liess es, bis sie die Bühne am Ende ihres Auftritts wieder verliessen, nicht mehr los. Das war echt überraschend, sie unterhielten, animierten und interagierten mit dem Publikum. Die Fans gelobten es ihnen mit kräftigem Mitsingen und ohrenbetäubendem Applaus. Sie hängten die Latte für die Arctic Monkeys ziemlich hoch, welche direkt nach ihnen auf der Hauptbühne auftreten sollten. Leider konnten die Arctic Monkeys, die ja eigentlich bekannter sind, diese hohen Erwartungen nicht erfüllen und waren über lange Strecken ihres Auftritts nicht sehr unterhaltsam.
SAMSTAG
(mars) Der Samstag an Open Airs sollte eigentlich immer der Tag sein, an dem die besten Bands spielen und die beste Stimmung herrschen sollte. Als ich das Line-Up studierte dachte ich mir schon, das könnte übel werden, wo sind denn hier die Gitarren?
Mit Hip Hop ging es los auf der Hauptbühne, gegen 19:00 Uhr spielte die Deutsche Ur Rap Kombo Fettes Brot ihre ersten Töne. Wow, heute war es auf dem Gelände in Rümlang so richtig voll. Und ich wurde schon wieder überrascht. Diese Hamburger haben richtig Pfeffer im Arsch und geben Vollgas. Als vierten Song bereits ihren Überhit „Emanuela“ zu spielen, fand ich gewagt. Aber als sie nach einem kleinen Durchhänger, ihr bereits zu einem Rap Klassiker gewordenen Hit, „Jein“ nachlegten, kochte es extrem vor der Bühne. Darauf folgte ein Medley von bekannteren Deutschen HipHop Songs wie „Der Block“ von „Sido“ oder „Wir brauchen Bass“ von „das Bo“.
Die Leute tanzten schreiten und sangen fast jedes Wort mit. Nach „Nordisch by Nature“ und „Bettina, bitte zieh dir etwas an“ folgte als Zugabe noch „ Schwule Mädchen“. Gerne hätte ich etwas Positives über eine Rockband geschrieben, aber im Samstagabendprogramm hatte es leider keinen Platz für Gitarrenmusik.
Denn im Anschluss folgte ein kurzer Regen und dann The XX, eine Electro Indie Band, die im Vorfeld dermassen in den Himmel gehyped wurde, dass eigentlich vor der Bühne der Teufel los hätte sein sollen. Das Publikum war zwar da, aber leider konnte die Band null Stimmung verbreiten. Hier stimmt das Line Up leider überhaupt nicht zueinander. Zuerst eine Hip Hop Band, die Party Stimmung verbreitete und dann Chill Out Sound für fast zwei Stunden. Zum Glück gabs da noch den Jägermeister Hangar, wo es brachial zur Sache ging beim „Karaoke from Heeeelll“. Nach XX stand dann nochmal TECHNO auf dem Programm, nämlich Paul Kalkbrenner. Wie der war müsst ihr die anwesenden Personen fragen, denn ich war zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr auf dem Gelände. 🙂
SONNTAG
(mars) Bei wieder heiterem Sonnenschein und herrlich lästigen Wespen ging es auf das grosse Finale des diesjährigen Zürich Open Airs zu. Heute war die Schar der Besucher wieder etwa auf Donnerstag Niveau gesunken, was dem Festival fast ein familiäres Ambiente verlieh. Quasi als Vorband zur besten Band der Welt agierte eine Band, die einen so langen Namen hat, dass ich ihn mir fast nie merken kann Black Rebel Motorcycle Club. Na ja, „die“ Einheizer waren sie nicht, aber endlich wieder Gitarrenmusik, obwohl es mir über weite Strecken etwas zu psychedelisch war und die Vorfreude auf Die Ärzte umso mehr wuchs.
Die Ärzte traten hinter einem schwarzen Vorhang auf die Bühne, welcher um Punkt 19:00 Uhr heruntergelassen wurde. Wer sie kennt liebt sie oder hat sie halt nicht so gern. Ihre Auftritte kann man auch als Impro Konzerte bezeichnen, denn sie spielen nie die gleichen Lieder und wenn dann spielen sie diese garantiert nicht in der gleichen Reihenfolge. Zwischen den Songs wird immer viel gequatscht, darum dauern ihre Konzerte mindestens zwei wenn nicht drei Stunden.
Dieses Mal war Farin Urlaub das Zürcher Publikum zu Beginn etwas zu ruhig und er animierte es zum Klatschen oder T-Shirt schwingen. Bei „½ Lovesong“ meinte er, man solle doch ein Feuerzeug, Taschenlampe oder was eher als Joke gemeint war, einen Stroh Hut anzünden, welche an diesem Open Air durch eine bekannte Brauerei wacker verteilt wurden. Am Schluss brannten zig dieser Hüte. Für weitere Lacher sorgte eine Besucherin in der ersten Reihe, welche wohl vergessen hatte, was sie unter dem Pulli trug, den sie zuvor in der Luft geschwungen hatte, Bela B meinte nur, „ich achte mich ja wirklich nicht was ihr für T-Shirts anhabt, aber Dr.-Dre, wo sind denn deine Kopfhörer“.
Weil dies das letzte Konzert ihrer aktuellen Tournee war, war der Abschied besonders lange und wehmütig. Trotzdem schafften sie es fast auf die Minute, wie im Programm geschrieben, ihren Gig, um 21:15 Uhr zu beenden.
Das Zürich Open Air 2013 ist bereits nach 3 Ausgaben eine nicht zu unterschätzende Grösse im Festival-Sommer geworden. Die Organisation hat gepasst, man musste nicht lange auf ein Bier, Burger oder eine freie Toilette warten. Alles war super angeschrieben.
Für die nächste Ausgabe wünsche ich mir etwas mehr Gitarren und ein bisschen weniger „Hipster“ Sound, sowie ein besser aufeinander abgestimmtes Programm.
Text Donnerstag: Nicole Imhof
Text Freitag-Sonntag: Marcel Schlatter
Bilder: Marcel Schlatter