Datum: 16. März 2014
Ort: Hallenstadion – Zürich
Bands: Within Temptation / Lunatica
Zunächst zimmert den 3700 Zuschauern ein hollywoodeskes Intro entgegen, bevor Lunatica die Bildfläche erobern und mit Charme und Rüschen eine Lanze für die schwarze Schweiz brechen. Wenn auch das Klangbild gelegentlich von fast geisterhaften Gitarren durchzogen ist, einige Effekte auf der Stimme übermässig hörbar sind und nicht jeder Ton der angezielte zu sein scheint, verkauft sich die helvetische Formation ziemlich überzeugend und setzt in sympathischer Atmosphäre ein solides Gothic-Metal-Set vor, das von Königinnen und Kinderträumen kündet.
In Songs wie „The Spell“ beweisen die Musiker Fingerspitzengefühl und Spielfreude; epische Streicherkaskaden, clevere Breaks und elegante Melodie-Girlanden mischen sich zu einem Gebräu, das wirklich Spass macht. „Sons Of The Wind“ besticht mit seiner spannenden Vielfarbigkeit und kämpferische Riffs zaubern Freunden erdiger Klanggewalt ein Lächeln ins Gesicht. Eine runde Sache und mehr als ein Warm-Up!
Ein Techniker macht die Pyrotechnik scharf.
Durch sein Fallen gibt das riesige weisse „Hydra“-Banner den Blick auf ein imposantes Bühnenbild frei: Treppen türmen sich zwischen Keyboards und Schlagzeug auf, „retro-futuristische“ Elemente schmücken den Raum und zwei gigantische Hydrenköpfe kreuzen zum Grusse ihre flammenden Zungen – auf einer zwischen den Köpfen hängenden Projektionsfläche, die das Format des Konzertes überraschend fundamental bestimmen wird.
„Let Us Burn“ eröffnet das gewaltige Multimediaspektakel, dass uns die Niederländer vorbereitet haben, mit Feuerfontänen, Spielwut und Bilderflut versprühen die Gothic-Metal-Pioniere von der ersten Sekunde an Gute Laune. Die typische „Laufsteg-Bühne“ sorgt für reichlich lebendige Interaktion zwischen Musikern und Publikum. Wie zu erwarten, wird ausgehend von den Songs der neuen Scheibe „Hydra“ ein Bogen über die Höhepunkte der Bandgeschichte gespannt, der sich immer weiter in die Vergangenheit schraubt und schliesslich mit den ehrwürdigen Überhits „Mother Earth“ und „Ice Queen“ abgerundet wird.
Musikalisch kann man an dem Abend nichts auszusetzen haben. Präzise, dynamisch und mit sattem Sound errichtet man einen musikalischen Pfeiler nach dem anderen. Von den hymnischen Nummern wie „Jillian“ oder „Stand My Ground“, treibenden Songs wie „What Have You Done“ und „Dangerous“ bis zu den sanften Inseln von „Fire And Ice“ oder „Edge Of The World“ bleibt kein Wunsch offen.
Die erstaunliche stilistische Bandbreite, die Within Temptation mühelos herstellt ohne vom unverkennbaren Weg abzukommen ist schon beachtlich. Power-Metal bis Nu-Metal, ja durch die Zusammenarbeit mit Xzitbit nun sogar Rap fliessen in das symphonisch verspielte Klangbild ein. Das wird vor allem durch die vielen Duos mit anderen Sängern möglich. Und diese werden heute in einer sehr wirkungsvollen Form präsentiert. Während ihre Stimme ab Band kommt, singen Tarja Turunen, Keith Caputo, Howard Jones oder eben Xzibti von der grossen Leinwand herab. Dadurch entsteht wirklich das Gefühl des Dialoges zwischen Sängerin und Projektionsebene. Die Stimmen vom Band erwachen zum Leben!
So gerät das ganze Konzert zum Spiel des Formates; ein grosses Multitasking der medialen Darstellungsformen dieser Musik. Die Show spielt mit den technischen Möglichkeiten, wie die Band mit ihren stilistischen Einflüssen. Eigentlich ist fast nur der Zugaben-Block im klassischen Rock-Konzert-Format gehalten. Davor spielt sich ein minutiös geplantes Wechselspiel zwischen Musikvideo, Konzert, Hörspiel und Live-Filmmusik ab. Ausschnitte aus bekannten Clips der Band und aufwändige Animationen sind zu sehen.
Der Fokus verschiebt sich ständig: Mal betrachten wir einfach die Video-Sequenzen und die Band wird zur Begleitung, nur um im nächsten Moment wieder in voller Präsenz da zu sein, während sich das Bild zum Stimmungsbild oder Element der Lichtshow zurückzieht. Interaktion zwischen Bild und Bühne findet durchgehend statt. An einigen Stellen wird es dann jedoch etwas überladen: wenn beispielsweise bei „Angels“ die echte Sharon den Adel mit der projizierten gleichzeitig singt oder die Band hinter allzu vielen Bildern streckenweise kaum mehr als in einem Filmmusik-Konzert wahrzunehmen ist, wird es irritierend.
Abgesehen von dieser genussvollen Reizüberflutung funktioniert das Experiment aber ausgezeichnet! Was für ein Erlebnis!
Text: Dennis Bäsecke-Beltrametti
Bilder: Miriam Ritler