Vocal Ensemble Stimmig! + Adina Friis
PROGR Aula – Bern
Samstag, 3. Juni 2023
Text: David Spring
Das Leben ist manchmal lustig. Da gibt es vieles, dass uns den Tag versauen kann, zu gross der stete Druck nach Performance und Perfektion, währenddem die Welt immer mehr in Flammen steht. Doch sind es oft die kleinen, überraschenden und unerwarteten Dinge, die uns trotz all dem immer wieder Freude bereiten können. Zwar führt unser aller Weg irgendwann zwangsläufig unter die Erde, doch bis dahin gibt es so viel zu entdecken und zu erleben. Und so geschah es denn auch, dass ich mich an einem heissen Samstagabend in der PROGR-Aula in Bern wiederfand, für einmal nicht an einer lauten Metal-Show, sondern an einer eher klassisch angehauchten Chor- und Schauspielaufführung mit Kammerorchester.
Ausschlaggebend dafür war Adina Friis, ihres Zeichens Musikerin, Komponistin und Alleskönnerin, die vor kurzem mit ihrer Band Luumu ein vorzügliches Album namens «Elephant Love Song» veröffentlichte. Sie war es, die zusammen mit dem in Solothurn und Zürich ansässigen Vocal Ensemble Stimmig! und der Schauspielerin und Regisseurin Florina Brotbek das heute uraufgeführte Werk «Ode an das Leben – in Anbetracht der Endlichkeit» komponierte und konzipierte. Da man im Leben auch mal was anderes ausprobieren und sich ab und zu etwas ausserhalb der eigenen Komfortzone bewegen soll, vor allem aber, weil Adina Friis eine faszinierende, talentierte Künstlerin mit einem dunklen, aber stets hoffnungsvollen Blick auf die Welt ist, durfte ich mir diese Aufführung, die unter der künstlerischen Leitung von Achim Glatz stand, nicht entgehen lassen.
Beginnen tat der Abend mit einer zweifachen Überraschung: das aus zwei Geigen, einem Cello, einer Bassgeige, Saxophon, Klavier und Schlagzeug bestehende Kammerorchester nahm Platz und legte mit dem unsäglichen (aber thematisch durchaus passenden) «Viva La Vida» der noch unsäglicheren Coldplay los. Gerade, als ich mich zu fragen begann, wo sich denn der Chor versteckte, begann dieser lautstark hinter uns zu singen. Die begnadeten Sänger:innen bewegten sich dann auf verzückende Art und Weise durch das Publikum in Richtung Bühne, immerfort singend und strahlend. Schnell merkte man auch, dass hier enorm talentierte Menschen zugegen waren, denn spätestens das folgende «When Everything Is Coming To An End», eine originale Komposition von Adina Friis, liess mit vielen cineastischen, an Film Noir erinnernde Momente wohlige Schauer über die Rücken der Anwesenden laufen.
Zusätzlich zu den wundervollen, abwechslungsreichen Stücken, die in Englisch, Deutsch, Schweizerdeutsch, Französisch und gar Spanisch vorgetragen wurden, gab es immer wieder Spoken-Word-Vorträge von Schauspieler Bela Maria Scherer und Tanzeinlagen von Charlotte Böttger. Die Themen dieser mal ernsten, mal humorvollen Beiträge drehten sich allesamt um das Leben, den Tod, Selbstfindung, Mental Health und den eigenen Platz in dieser verwirrenden Welt. Die Inhalte konzentrierten sich im ersten Teil der Aufführung vor allem auf den Tod und die traurige, unausweichliche Endgültigkeit dessen, doch im Verlauf des Abends nahmen immer mehr frohe, spielerische und lockere Töne und Worte Überhand. Nicht, dass der Tod in etwa vermieden werden könnte, doch die Einsicht, dass der Weg bis dahin mit so vielen schönen Dingen und wichtigen Menschen gefüllt werden kann.
Die Musik und die Texte von Adina Friis, die grossartige musikalische Leistung des Orchesters und die unglaubliche Stimmgewalt des ca. 25-köpfigen Chors erweckten die teilweise durchaus schwierigen Themen und Gefühle wundervoll zum Leben. Einer der schönsten Momente war, als der Sprecher in seinem Monolog darüber, was er in seinem Leben alles möchte, auf einmal von jemandem aus dem Chor unterbrochen wurde und irgendwann ein riesiges Crescendo von Einrufen entstand. Dabei wurde sich von «einen 4000er besteigen» über «eine Meerschweinchenfarm besitzen» und «eine rote Vespa fahren» bis hin zu «mich vor Lachen einpinkeln» alles gewünscht. Ein wundervoller Moment, der schön die mögliche Leichtigkeit des Seins aufzeigte, und dabei das Vocal Ensemble Stimmig! gleichzeitig von seiner besten Seite zeigte.
Mit dem lockeren, südländisch angehauchten «Gracias a la Vida» und dem abschliessenden «Here’s To Life» kam der Abend nach rund anderthalb Stunden zum Ende. Unter tosendem Applaus gab es dann noch Patent Ochsners «Für immer uf di» als Zugabe und, wie es sich für ein (mehr oder weniger) klassisches Konzert gehört, viele Verbeugungen, Blumen, Umarmungen und noch mehr Verbeugungen. So ging ein einmaliger und wunderschöner Abend voller Lebensfreude, Nachdenklichkeit und Ehrlichkeit zu Ende. Vor allem aber war es ein Abend mit wundervoller Musik, dargeboten und komponiert von einer Riege faszinierender Künstler:innen, wie man sie in unserem kleinen Land nicht alle Tage findet. Wahrhaft eine «Ode an das Leben».
Setlist
- Viva La Vida
- When Everything Is Coming To An End
- Shadow Me
- Hear Me
- Vergissmeinnicht
- S goldige Rad
- Lumière
- O Magnum Mysterium
- Mittsommernacht
- Trag mi Wind
- Gracias a la Vida
- Here’s To Life
Zugaben
- Für immer uf di