Zürich – X-TRA
Sonntag, 11. Mai 2025
Text: Adrian Portmann
Man könnte sagen, ein Sonntagskonzert ist einer Wundertüte gleichzusetzen. Man weiss nie genau, was einen erwartet und ob der Event einen vom Hocker hauen wird. Aber das muss auch nicht immer sein. Entweder gelingt es einem solchen Abend, die Woche gemütlich ausklingen zu lassen, oder das krasse Gegenteil tritt ein – es wird noch einmal richtig aufgedreht. Zwar nicht die beste Voraussetzung, um kurz darauf wieder in die Arbeitswoche zu starten, doch eines ist sicher: wenn es so abgeht wie am vergangenen Sonntag, dann nimmt man dieses Opfer gerne in Kauf. Mein Muskelkater am nächsten Tag war es definitiv wert!
Im Verlauf eines schönen Frühlings-Sonnenuntergangs strömten die Besucher ins X-TRA, wo neben der ausgelassenen Stimmung eines besonders auffiel: Das war ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der sich da im Konzertsaal versammelte. Von Jung bis Alt, vom klassischen Rocker bis zum Punk, vom klischeehaften Büroangestellten bis zum hippen Studenten – alles in allem Musikfreunde mit Lust auf einen Abend voller guter Laune.
Für das musikalische Fundament sorgte an diesem Abend Boko Yout, der – wie auch seine Band – im Pfadfinder-Style die Bühne betrat. Kurz gesagt war es der perfekte Support. Mehr noch: Meiner Meinung nach stand der ebenfalls aus Schweden stammende Künstler dem Hauptact (bis vielleicht auf den Bekanntheitsgrad und die Breite des Musikrepertoires) um nichts nach. Kathartische Performancekunst, grooviger Sound und eine tolle Verbindung diverser Genre-Einflüsse wurden mit sympathischen Ansagen zwischen den Songs abgerundet. Nicht lange, und der Funke sprang auch auf das Publikum über. Es wurde gelacht, getanzt, bei den Singalong-Stellen mächtig mitgesungen oder einfach gutgelaunt in Richtung Bühne gegrinst. Nach diesem grandiosen Set freue ich mich jetzt schon darauf, in Zukunft mehr davon zu hören.
Kurze Zeit später dimmte sich das Licht erneut und ein epischer Klang sowie lauter Jubel erfüllten den Saal. Die Viagra Boys sind endlich angekommen! Ob es am bereits gut aufgewärmten Publikum lag oder am tätowierten Bierbauch des Sängers – ab dem ersten Song ging es ordentlich zur Sache. Überall, wo man sich umsah, drehten unzählige Feierwütige auf und hüpften zum Sound wild herum. Gut gelaunt verkündete der mit einer schwarzen Sonnenbrille ausgestattete Sebastian Murphy, dass dies das letzte Konzert ihrer aktuellen Tour sei. „We are fucking stoked to be here in Zürich“, rief er kurz darauf, und dementsprechend ging es gleich wieder intensiv weiter. Die Meute vor der Bühne war darüber sehr erfreut und liess sich von den Schweden mitreissen. Immer wieder entstanden herrlich absurde Situationen. Neben sehr unterhaltsamen Circle Pits und gewagtem Crowdsurfing gab es auch jenen Moment, als zwei Fans mit jeweils einem grossen Bier in der Hand übereifrig Richtung Mitte eilten, nur um beim darauffolgenden Breakdown ihre Getränke voller Tatendrang im Gerangel zu verlieren, genauer gesagt zu verschütten.
Die Vermischung zwischen Punk und Elektro kam zur Geltung und liess die Zeit unglaublich schnell vergehen. Besonders bei den Songs, die durch wirre Soli in die Länge gezogen wurden, fühlte es sich an, als nehme man an einem niemals endenden Rave teil. Auch die Verspieltheit der Musik, insbesondere mit Keyboard-, Saxophon- und Querflötenklängen gespickt, kam gut an. All das in Kombination ergab ein perfektes Konzert, um dem Alltagsstress zu entfliehen und sich vollkommen frei von jeglichem Druck zu fühlen. Nach einem langen Applaus beim Konzert-Ende verliessen wir schliesslich völlig verschwitzt, aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht das Lokal, hinaus in die frische Abendluft.