2. Oktober 2019
Bar 3000 – Zürich
Band: Tracy Bryant
Wie ein spontanes Ständchen für Freunde fühlte sich das Konzert von Tracy Bryant in der Bar 3000 letzten Mittwoch an. Fünf Minuten vor Showbeginn draussen noch gemütlich quatschen und die Zigarette fertig rauchen. Entsprechend unprätentiös und entspannt traten die zwei Männer aus L.A. auf die kleine Bühne im gut besetzten Lokal. Gesang, Gitarre und zwei einfache Drumbecken verströmten Demotape-Charme. Es dauerte ein paar Lieder, um zu realisieren, welch geniales Songwriting hinter dem einfachen Set Up steckt. Spätestens mit dem Song „Mask“ erblühte die Mischung aus Altbekanntem und raffinierten, nie gehörten Harmonien und Arrangements. Herrlicher Psychedelic Folk eben. Ich gebe zu: Diese Einordnung habe ich Andi Rohrer abgeschaut, der Tracy Bryant tags zuvor in der SRF3-Sendung “Sounds” vorstellte.
Bald breitete sich von den Ohren her jenes wohlige Gefühl bis in die Zehenspitzen aus, wie es nur gute Musik auslöst. Eine Freude war es auch, dem Schlagzeuger Cameron Gartung zuzuschauen: Präzise wie ein Drumcomputer, mit der Intuition des geborenen Musikers. Und dieser 70ies-Softpornodarsteller-Look, eine wahre Augenweide! Cameron begleitet Tracy auf der kleinen Europatour zum neuen Album „Hush“. Regulär spielt er bei den Mystic Braves. Die beiden waren perfekt eingespielt, warfen sich regelmässig Blicke zu, oder mussten über einen Stolperer lachen, den nur sie bemerkt hatten. Diese vertraute Stimmung übertrug sich aufs Publikum – Love, Peace and Happiness, einfach mit weniger Drogen als bei den Hippies.
Mit diesem Groove fühlt sich Tracy Bryant bei Piet Alders Musiklabel Taxi Gauche Records zuhause, der psychedelischen Luftbrücke zwischen der Schweiz und den USA. Kennengelernt hatte er Piet bei einem Auftritt im Zürcher Club Gonzo mit den Corners, seiner früheren Band. Es mache Spass, mit Piet unterwegs zu sein, sagte mir Tracy nach dem Konzert. Piet sei einfach „such a nice guy“. Das ist Tracy auch, und irgendwie kann man sich schon vorstellen, dass er neben seinem Musikerleben frühmorgens in L.A. frisches Gemüse eines kleinen Familienbetriebes ausliefert, wie er in der Sendung „Sounds“ verraten hat. Und dass er die Musik auch dazu braucht, um die seltsamen Zustände in seinem Heimatland zu verarbeiten. Umso besser für uns Musikhungrige.
Text: Nicole Müller