6. Mai 2018
Flösserplatz – Aarau
Bands: The Ocean Collective / Rosetta / Coilguns
Wiedersehen macht Freude, das bewiesen The Ocean am Sonntag in Aarau. Denn obwohl man das Kollektiv, welches sich den Hauptsitz gerne zwischen Berlin und der Westschweiz aufteilt, relativ oft auf den Bühnen bestaunen kann, bot der Auftritt im Flösserplatz viele Zückerchen für Fans und Neulinge. Und nein, das Glück wurde nicht nur durch den immerzu im Raum schwebenden Pizzaduft verstärkt, auch musikalisch war alles wunderbar knusprig.
Wobei Coilguns, welche gleich drei ehemalige Mitstreiter von The Ocean an Bord haben, wohl so einigen Anwesenden das Gehirn und den Verstand mit ihrem Konzert weggeblasen haben. Frisch auf grosser „Millennials„-Tour durch Europa zeigte das Quartett in Aarau, wie man Hardcore-Punk, Noise-Metal und purer Wahnsinn genial mischen kann. Seit 2011 versucht diese Band, uns in die Fallgruben voller schmutziger Spritzennadeln zu stossen. Mit ihrem neusten Album haben sie es endgültig auch geschafft. Kein Wunder also, führte sich die Gruppe auf der Bühne wie ein Haufen Chaotarchen auf und sprang wild umher, lagen zwischen den Besuchern und lebte den Lärm.
Nach diesen vernichtenden Songs verzogen sich demnach alle Vampire und sonstigen Freaks kurz nach draussen in die Sonne. Denn Rosetta wollte man wieder gefasst und frisch gestärkt geniessen können. Die Vorreiter des Post-Metal aus Amerika waren zwar nicht ganz so kaputt und wild, aber ebenso gnadenlos und hart. Mit längeren Songs, grossen Gitarrenwänden und Geschrei ging es an die Innereien. Und besonders dank Frontmann Michael Armine waren diese wuchtigen Lieder nicht nur oberflächlich mitreissend, sondern emotional und extrem atmosphärisch. So wagte er direkten Kontakt mit den ersten Reihen, liess das Mikrofon oft weg und sorgte für eine direkte Bindung.
Davon gab es bei The Ocean am Ende des Abends erstaunlich wenig, obwohl der eher kleine Konzertraum im Flösserplatz für Kletter- und Surfeinlagen genügend Möglichkeiten geboten hätte. So aber wurde man selten wirklich von der Musik abgelenkt und konnte sich vollumfänglich dem Vergnügen hingeben, „Precambrian – Proterozoic“ in voller Länge endlich einmal live erleben zu dürfen. Es war also nicht nur eine Zeitreise ins Jahr 2007, sondern ein erneuter Beweis, dass The Ocean nicht nur laut und schwer sein können. Dank Elementen der Klassik, des Sludge und immer wieder leise gespielten Stellen waren Lieder wie „Rhyacian: Untimely Meditations“ wahre Reisen und Abenteuer.
Mit dem live eingespielten elektronischen Cello erhielt das Konzert eine weitere Ebene und die Band lief nie Gefahr, ihren opulenten Sound zu stark in die Künstlichkeit driften zu lassen. Vielmehr war es ein Abend, an dem man in den Kompositionen versinken und alles um sich herum vergessen konnte. Zumindest, bis einem die Augenlider wieder durch den extremen Stroboblitz zerrissen wurden und The Ocean ein weiteres Mal zu einem apokalyptischen Gewittersturm anwuchsen. Ganz ohne Chaos kam nämlich auch dieses Konzert mit Konzept nicht aus – was auch zu hoffen war.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Siderian
2. Rhyacian: Untimely Meditations
3. Orosirian: For the Great Blue Cold Now Reigns
4. Statherian
5. Calymmian: Lake Disappointment
6. Ectasian: De Profundis
7. Stenian: Mount Sorrow
8. Tonian: Confessions of a Dangerous Mind
9. Cryogenian
Zugabe
10. Firmament
11. The Quiet Observer
Text: Michael Bohli