26. Februar 2016
KiFF – Aarau
Bands: Tesseract / The Contortionist
Wenn man sich als Zuschauer nach den Sängern richtet, dann erfährt man an einem Konzert schnell eine intensivere Erfahrung. Man leidet mit den harten Breaks, man zuckt durch die queren Rhythmen, jubelt umso stärker bei den Melodien und Pausen. Und gerade die beiden Bands, welche den Freitagabend im KiFF zu einer emotionalen Abenteuerfahrt gestaltet haben, offenbarten schnell ein unglaubliches Potential für Empathie. Tesseract und The Contortionist, beides wackere Gesellen der verschrobenen Gattung Prog-Metal, knallten den Besuchern so gütig eine rein, dass man am Ende grinsend den Saal verliess.
Wobei die härtere Gangart erstaunlicherweise bei der Vorband aus den USA eingeschlagen wurde. The Contortionist starteten ihren Auftritt mit viel Nebel und sphärisch verzerrten Worten, um dann alsbald halsbrecherisch die Klippen herab zu stürzen. Während dem Fall schnitt man sich an den scharfen Gitarren- und Bassläufen, schlug den Kopf an der Doublebass an und wickelte sich – in scheinbarer Sicherheit wähnend – um die Keyboard-Schichten. Die sechs Mannen kannten keine Grenzen und steigerten ihre Songs oft bis zum Math-Core. Aber für jeden noch so harten Wechsel gab es immer wieder Momente des Innehaltens. Die Band wusste genau, wie man Progressive Metal in der heutigen Zeit präsentieren muss und schaffte das unglaubliche: In vielen Songs öffnete sich ihre Musik und berührte nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz. Gänsehaut, Ehrfurcht und Erregung – die Lieder öffneten sich und fluteten den Saal. Die Leute versanken darin und schüttelten sich alsbald wieder zu völlig untanzbaren Takten.
Tesseract meinten es mit den Besuchern eher gut, denn ihre Lieder drifteten nicht so sehr in die Unverfolgbarkeit ab. Seit einigen Jahren begeistert die Gruppe aus England nicht nur die Fans, sondern auch die Kritiker. Mit ihrem neusten Werk fanden sie sogar bei Kscope Heimat und fahren auf ihrer Tour Erfolg um Erfolg ein. Dabei wurde auch in Aarau schnell klar, wieso diese Unterart der Musik so begeistern kann. Mit dem Album „Polaris“ wurde ihre Musik wärmer und die Melodien noch klarer, ohne dass sich die Gruppe selber untreu wurde. Sie bewiesen auf der Bühne, dass man Prog modern und unterhaltsam gestalten und dabei Hardcore und Metal gelungen einfliessen lassen kann.
Breaks und Beats erschütterten die alte Fabrik, Gitarre und Gesang lockten vor die Bühne. Warum sollte man also alt und grau werden, während man auf das neue Tool-Album wartet, oder sich vom immer gleichen Kitsch bei Dream Theater einzuckern zu lassen, wenn es solch spannende Bands gibt? Eine tonnenschwere Leichtigkeit durchfuhr alle Besucher und freudig zuckte man mit dem Kopf und den Gliedern – wie eingangs erwähnt es die Sänger vormachten. Ein Konzertvergnügen, das wie Stahlbeton daherkam, aber doch lieber im Mondschein badete.
Setlist Tesseract:
1. Phoenix
2. Messenger
3. Proxy
4. Retrospect
5. Dystopia
6. Hexes
7. Exile
8. Survival
9. April
10. Nocturne
Text: Michael Bohli
Bilder: Angela Michel