15. Dezember 2018
Werk21 – Zürich
Bands: No More / Saigon Blue Rain / Irrlicht
Wenn die erste Band an einem Festival bereits ihr zwanzigjähriges Bühnenjubliäum feiern konnte, dann wusste man auch als Novize, hier wurden geschichtsträchtige Künstlerinnen und Künstler in das Scheinwerferlicht gestellt. Das Sounds From The Heart Festival gastierte zum zweiten Mal im Werk21 in Zürich und liess nicht nur die Fledermäuse von der Leine – oder aus dem Backofen – sondern etablierte sich endgültig als neuer Fixpunkt im Kalender der schwarzen Szene. Alte Freunde trafen sich, neue Begegnungen entstanden und im Zentrum wähnte sich die dunkle Kunst der Musik.
Wobei der Beginn mit der Zürcher Gruppe Irrlicht im romantischen Bereich zu verordnen war, gab es pulsierenden Electropop und melodischen Dark Wave, gespielt von drei Synthesizer und der Sängerin Daniela Dietz. Nie um die Eingängigkeit verlegen, mischte das Quartett tiefe Bässe mit lockenden Strophen und erzählte Geschichten in Französisch und Deutsch. Dass die neuste EP dieser Band „Bleiben Werden“ heisst, spiegelt die Karriere und diesen Auftritt gut wider. Nicht nur tragen viele Szenengänger ihre Lieder in den Herzen, die Formation hatte sichtlich Freude am Auftritt.
Schön auch, liessen sie sich für zwei Songs vom ehemaligen Gitarristen Pete Skrotzky begleiten, um diesen Abend noch stärker schillern zu lassen. Was im Anschluss vom Trio Saigon Blue Rain aus Paris ausgenutzt wurde, um mit einer fesselnden Mischung aus Reiz, Bedrohlichkeit und Rhythmus die Aufmerksamkeit an sich zu reissen. Zwar erst seit 2012 aktiv, bewiesen Sängerin Ophelia, Gitarrist Franck und Tourbassist Gilles schnell, dass die Zeiten von Dark Wave und The Cure noch lange nicht vorbei sind. „What I Don’t See“ stimmte das Trio voller Elan an und gestaltete gleich das Motto: Hier schloss man schnell die Augen und gab sich der Dunkelheit hin – bewegend, geniessend.
Erfrischend direkt zeigten sich Saigon Blue Rain im Kellerraum des Dynamos und bewiesen vor allem an den beiden Endpunkten ihres Auftrittes, dass dem Wave eine Wildheit herrlich passt. „I Wanna Be You“, oder zumindest mit euch, was in Erfüllung ging – das nächste Album wird mit Spannung erwartet. Viel Wartezeit findet man auch in der Geschichte von No More, welche als dritte und letzte Band diesen Samstagabend krönten. 1979 in Kiel gegründet und in den Achtzigern mit ihrem Song „Suicide Commando“ Unsterblichkeit erlangend, war das Duo Tina Sanudakura und Andy Schwarz schon längere Zeit nicht mehr in Zürich anzutreffen.
Aber für eine solche liebevolle Veranstaltung wie das Sounds From The Heart Festival kehrten sogar Zombies und Vampire in das bunte Licht zurück. Punk und New Wave mit kleinen Lichtpunkten, Pop-Einschlag und tiefer Gesang, eine Mixtur, die nicht nur in Schankhäusern von Hexen für viel Stimmung sorgt. So wurde das Fest im Keller schnell zu einem Tanz auf der Burg, zu einem Wirbel in der Fabrikhalle der hallenden Bass- und Gitarrenspuren. Und was sich in dieser Nacht auch wieder gezeigt hatte, Schlagzeuge sind nebensächlich. Drei Bands ohne Trommeln, dafür mit viel Ausdruck und Kraft – das Herz der schwarzen Szene schlug pochend laut.
Text: Michael Bohli