4. Dezember 2018
Salzhaus – Winterthur
Bands: Sólstafir / Kontinuum / Louise Lemón
Manchmal ist es schon erstaunlich, wie weit man bei musikalischen Vergleichen gehen kann. So wurden am Dienstagabend im Salzhaus plötzlich die künstlerischen Fähigkeiten der Bands mit Stuckaturen und Gipserarbeiten abgeglichen, was irgendwie auch Sinn ergab. Denn alternative Rockmusik aus Island war schon immer gut darin, den Menschen Begeisterung und Einfallsreichtum zu vermitteln – so nicht anders in Winterthur. Sólstafir luden zu einer düsteren und lauten Feier, die Leute kamen zahlreich und voller Freude.
Wobei alle drei Bands an diesem Abend eigentlich eher die Wurzeln der Melancholie und Schwermut spriessen liessen – da half auch die Pop-Note bei Louise Lemón nicht. Als erstes auf der Bühne, zeigte die Sängerin aus Schweden eine neue Art, Gospel, Doom und Mainstream zusammenzuführen. Verführerisch und mysteriös angedacht, doch in der Ausführung leider zu oft ein eher unausgegorenes Programm. Die instrumentalen Stellen der Band öffneten sich zu wenig, der Stimme von Louise fehlte etwas das Volumen – hier wäre eine lockerere Komposition vielleicht angebrachter gewesen.
Ab auf die Insel hiess es danach, Kontinuum vertrieben alle Zweifel und Sorgen mit ihrem wuchtigen Auftritt. Die Gruppe, welche dieses Jahr mit dem ersten, komplett in Englisch eingesungenen Album „No Need To Reason“ viele Nachteulen aufhorchen liessen, fluteten das Salzhaus mit Dark Rock und Wave. Laute Gitarren, emotionaler Gesang und eine Atmosphäre, die an New Model Army und Type O Negative denken liess. Und wenn Sänger Birgir Thorgeirsson Lieder in seiner Muttersprache intonierte, dann fühlte man sich dem Musikgott nahe.
Den Olymp betrat man mit der dritten und herbeigesehnten Band im Kollektiv: Sólstafir waren wieder in der Schweiz und führten Novizen wie langjährige Fans gleichermassen in das Nirvana. Mit ihren langen Kompositionen, welche zwischen knallharten Ausbrüchen, schwelgerischen Melodien und druckvollem Drumming wechselten, versprühten sie vom Intro an viel Magie. Ja, diese psychedelische und vereinnahmende Mischung lässt sich nicht festhalten, aber das wollen die Isländer auch gar nie. Ob dies nun Post-Metal mit Folk-Rock-Gesten ist, oder doch eher Wüsten-Rock mit Wikinger-Aufstand, geschenkt.
Bei Sólstafir geht es nicht um die klaren Konturen, es geht um das Fühlen, das oft verwirrende Menschsein. Frontmann Aðalbjörn Tryggvason bewies dies nicht nur mit seiner fesselnden Stimme, welche uns die wunderschönen Sprachmelodien des Isländischen ins Herz brachte, sondern auch mit seinen ausladenden Gesten. Meist nur wenige Zentimeter von den Besuchern entfernt, mit stechendem Blick und viel Charisma – Rockmusik, die durch Körper übertragen wurde. Mit Liedern vom neusten Album „Berdreyminn“ bis zum krachenden Abschluss mit „Goddess Of Ages“ – der Abend endete in purer Magie und bester Handwerkskunst. Da wünschte man sich, diese Begegnung wähne für immer.
Text: Michael Bohli
Bilder: Kathrin Hirzel