Solothurner Filmtage 2021
Schon ist es soweit, die 56. Solothurner Filmtage nähern sich ihrem Ende. Es waren spannende, abwechslungsreiche und intensive Tage – voller Premieren, digitalen Begegnungen, Perspektivenwechseln und neuen Horizonte. Spiel- und Dokumentarfilme aus der Schweiz vereint, mal klassisch, dann wieder frisch und aneckend.
Für den abschliessenden Teil unserer Berichterstattung werden die Karten noch einmal neu gemischt, wir schauen mit Bill Drummond in der Zeit zurück, besuchen Goa und den Protest gegen eine Autobahn, und verbringen am Ende noch ein paar Tage in der Hitze der spanischen Sierra Morena. Und freuen uns jetzt bereits auf die nächste Ausgabe des Festivals, voller Bilder, Farben und Klänge, 2022 hoffentlich wieder in echten Kinosälen.
Praktische Informationen:
Die Filmplattform ist online und der Festivaldesk eröffnet: Für sämtliche Online-Filmvorführungen können auf unserer Website ab sofort Tickets gekauft und die Filme reserviert werde. Die Filme sind ab dem Eröffnungsabend am 20. Januar 2021 gemäss ihrem jeweiligen Starttag verfügbar.
Alle Filme starten während des Online-Festivals täglich um 12 Uhr und am Eröffnungsabend um 22 Uhr. Die Filme bleiben nach dem Filmstart während 72 Stunden online verfügbar. Einmal gestartet, bleiben Ihnen 36 Stunden Zeit, um den Film / das Filmprogramm fertig zu schauen.
Das Programm ist aus rechtlichen Gründen nur in der Schweiz verfügbar.
Imagine Waking up Tomorrow and All Music Has Disappeared
Land / Jahr: Schweiz, Deutschland / 2015
Regie: Stefan Schwietert
Website: imaginewakinguptomorrowandallmusichasdisappeared.com
Der Titel dieses Filmes ist eine Horrorvorstellung, besonders für Verfasser*innen von Musik- und Kulturmagazinen. Aber Bill Drummond, ehemaliges Mitglied von The KLF und heute Künstler in diversen Disziplinen, hat eine Lösung bereit: Holen wir uns die Musik wieder ins Leben zurück, gemacht von uns allen, für den Moment und nicht die kapitalistische Ewigkeit. Mit dem Chor „The 17“ versucht er dieser Sehnsucht gerecht zu werden.
Der Dokumentarfilm Imagine Waking up Tomorrow and All Music Has Disappeared von Stefan Schwietert hat mich überrascht, handelt viel von der Laufzeit vom Leben Drummonds. Die Eckpunkte mit The KLF werden aufgegriffen, Passanten nach deren Hits gefragt. Der Film eignet sich aus diesem Grund wunderbar zur ersten Begegnung mit dem Engländer und ist näher beim Mythos als beispielsweise „Best Before Death“ (Paul Duane). Zwar kann dadurch die zentrale Frage – was ist Musik eigentlich – nicht sehr tief erörtert werden, man verfällt aber bald dem Enthusiasmus Drummonds. Und jetzt alle: Aaaaaaah ah ah!
Imagine Waking up Tomorrow and All Music Has Disappeared lief vom 23. bis 26. Januar.
Holy Highway
Land / Jahr: Schweiz / 2020
Regie: Gianluca Monnier, Andrée Julikà Tavares
Grosse Infrastrukturprojekte zeigen oft sehr genau auf, was in einem Land oder mit einer Regierung schiefläuft. So auch in Goa; eine neue Schnellstrasse aus Beton und Stahl soll Land, Urwald und Gewässer durchschneiden und die rollende Blechlawine schneller durch die Landstriche bringen. Dabei wird allerdings weder auf die Bevölkerung, das Tierleben noch die Flora geachtet. Versprechen werden von den offiziellen Stellen gebrochen, Sorgen und Probleme nicht angehört. Doch ist wirklich alles an dem Bau schlecht?
Ein Grossteil der Bevölkerung von Goa lebt durch die Einkommen der Tourismusbranche und sind, wie Gianluca Monnier und Andrée Julikà Tavares es in Holy Highway aufzeigen, deswegen über die Investition in den Verkehr froh. Ob dies allerdings die Umweltzerstörung und Rücksichtslosigkeit rechtfertigt, ist fragwürdig. Ohne lange Kommentare oder eingeblendeten Fakten bieten die Bilder einen Überblick mit Abstand, lange gehaltene und beobachtende Aufnahmen zeigen Menschen in der Region der Baustelle. Der Film reflektiert so nicht nur die entstehende Konstruktion, sondern allgemein die Wirtschaft und die Lebensweisen im Land.
Holy Highway läuft vom 26. bis 29. Januar.
For The Time Being
Land / Jahr: Schweiz, Deutschland / 2020
Regie: Salka Tiziana
Website: anchois-films.com
Heiss ist es, überall. Das Gras verdorrt, die Zikaden singen konstant, der Wind ist warm und flach, wir befinden uns in der Sierra Morena in Spanien, mitten im Sommer. Larissa besucht mit den Söhnen ihre Schwiegermutter und muss sich mit der Umgebung und den Gegebenheiten vertraut machen, ohne ihren Mann. Der taucht nämlich nicht auf und lässt die Weite und Verlassenheit der Landschaft noch einmal anders erscheinen.
Langsame Einstellungen, lange gehaltene Aufnahmen und immer wieder die 16mm-Bilder – For The Time Being ist ein meditativer Film. Regisseurin Salka Tiziana nutzt Farben und Wirkungen, um das Leben in der Hitze spürbar zu machen und lässt die Entschleunigung von der Leinwand in die Körper fliessen. Das resultiert in einer Erzählung, die indirekt gehalten ist und wenig schildert, trotzdem ein angenehmes Gefühl transportiert und gar hypnotisch wirken kann (wie die nächtliche Autofahrt oder die Drohnenaufnahmen der Umgebung und Natur). Und plötzlich beschlich mich der Gedanke, ob nicht etwa Sophia Coppola zu gerne einen solchen Film drehen würde.
For The Time Being läuft vom 26. bis 29. Januar.
Text: Michael Bohli