X-TRA – Zürich
Sonntag, 29. November 2023
Text: Cyril Schicker / Bilder: Carolin Widemann
Es ist Sonntag und Sonntag ist Tatort-Tag. Für ganz viele. Aber nicht für mich. Ausser gestern. Nur anders – und vor allem ganz viel besser.
Mein Tatort: X-TRA, die Täter: Sleaford Mods. Wüterich Jason Williamson und sein kongenialer Beat-Bastler Andrew Fearn präsentierten im sehr gut gefüllten Haus ihr neuestes Album „UK Grim“. Unter anderem.
Und (genau) so wars: Andrew Fearn drückte an seinem Laptop einen Knopf und der Sound ging los. Jede Note klang, wie du es von ihren Alben kennst. Fearn tat gar nicht erst so, als würde er da irgendwas live machen. Er fuhr den Sound ab und tanze hampelige Ausdruckstänze – eine (gelungene) Mischung aus Slapstick und Sportübung. Es war auch eine gewaltige Steigerung zu früher, als er sich auf der Bühne an seine Bierdose klammerte und ein wenig mit dem Kopf nickte.
Sänger Jason Williamson, meist zur Seite gedreht, ballerte endlose Wortsalven an Schimpfwörtern, Beleidigungen und derben Kommentaren zu den aktuellen Verhältnissen in Grossbritannien los. Eine zweimalfeine bis dreimalkostbare Unterhaltung oder besser gesagt Ansammlung an „fucks“, „cunts“ und „bastards“ – untermalt von seinem giftig-dreckigen East-Midlands-Dialekt. Immer und immer wieder hielt sich Williamson dabei eine Wasserflasche über den Kopf, ächzte und krächzte. Weshalb? Deshalb!
Sleaford Mods sind ein Phänomen, allerdings nicht mehr ganz so phänomenal wie einige Jahre zuvor. Fluch-Attacken, Schimpftiraden, Wutausbrüche und Verbalentgleisungen haben sie noch immer drauf, klar. Was das Post-Punk-Duo aus Nottingham, zumindest am gestrigen Tatort, nicht mehr so ganz drauf hat (-te): das Brachiale, das Tollwütige, das Anarchistische, das Bissige.
Natürlich hantieren Sleaford Mods nach wie vor gekonnt mit ihrer brutal scharfen Verbalklinge und trumpfen mit wortgewaltigem Gemetzel auf. Doch die Wüteriche sind zahmer geworden, massentauglicher.