23. Juni 2016
Bogen F – Zürich
Bands: Ryan Bingham / Reza Dinally
„How you doin‘?“, mit seinem schelmischen Grinsen unter dem grossen Hut, zwischen Gitarre und Mikrofon, packt er sofort alle. Und sogleich sind alle Bedenken und Sorgen wie weggewischt. Egal ob an diesem Donnerstag kein Fussballspiel stattfindet, ob der Sommer leider für ein paar Tage von der brennenden Sonne unterbrochen wurde oder im Bogen F in Zürich Hardbrücke eigentlich Pause für Konzerte herrschte. Ryan Bingham nahm sich Zeit für einen kurzen Abstecher in die Schweiz, zwischen seinen Festival-Auftritten und kühlen Regentagen.
Country, Folk und Rock für durchschwitzte Hemden, staubige Zungen und Tänzchen in den Schatten – Ryan Bingham begeistert seit langem mit seiner erdverbundenen Musik. So durfte er letztes Jahr gleich drei Mal den Bogen F füllen, auch dieses Konzert mit voll elektrisierter Band stand wieder unter dem Zeichen „ausverkauft“. Kein Wunder, denn der Musiker und Sänger sieht nicht nur supergut aus, sondern fesselt mit seiner ehrlichen und offenen Art. Keiner kann sich der Anziehung hinter seinen Aussagen oder den Melodien hinter seinen Songs entziehen.
Sicherlich, neu ist seine Musik nicht – denn diese Mixtur aus Südstaatenflair, Cowboygitarren und Saloonrhythmen wird seit vielen Jahrzehnten nicht nur in den USA zelebriert. Aber zwischen all dieser verfremdeten und künstlichen Kultur war es sehr erfrischend, den bodenständigen und absolut offenen Künstler auf der Bühne erleben zu dürfen. Egal ob leise mit akustischer Gitarre und Mundharmonika, unterstützt durch seine drei Mitmusiker oder ganz wild und ausufernd mit einem langen und lauten Blues-Rock-Stück – Lieder wie „Top Shelf Drug“ oder „The Weary Kind“ reissen emotional und körperlich mit. Kein Wunder sattelten am Ende des Abends plötzlich all ihre Pferde und ritten durch die Staubigen Strassen des Kreis fünf nach Hause.
Reza Dinally ging mit den Temperaturen etwas anders um, nutzte die steigende Hitze im Bogen F aber dazu, mit seinen hymnischen Liedern die Leute in ein hübsches Delirium zu treiben. Der Indierock des Zürcher Musikers ist zwar langsam und oft etwas scheu, driftet aber gegen Ende der Songs vielfach in die weiten Felder der Klangstürme. Zum ersten Mal zeigte sich Reza mit einer reduzierten Band, nur mit Schlagzeug und Orgel an seiner Seite. Ein Versuch, der wunderbar aufging und neue Facetten offenbarte und somit sehr schön und passend den Abend einleitete.
Text: Michael Bohli