Datum: 11. Juli 2015
Ort: Live at Sunset– Zürich
Bands: Roxette / Eskobar
Nicht weniger als das kurze Wiederauferstehen der 80er und 90er Jahre erwartete ich vom Samstagabend am Live At Sunset Festival, auf dem Dolder Areal in Zürich. „The Look“ stimmte und „The Centre Of The Heart“ pulsierte bereits vor dem Konzert zu den allseits bekannten Rhythmen. „Spending My Time“ an diesem Festivaltag in Zürich, so wünschte ich mir, würde mich doch bitte so sehr verzücken, dass mir am Schluss hoffentlich nur noch das Fazit bleiben würde: „It must Have Been Love“. Der „Joyride“ konnte also starten.
Mit Weniger würde ich mich heute nicht zufrieden geben, sind mir doch die Melodien dieser schwedischen Pop-Rockband quasi in die Wiege gelegt, ja gar in die Gene gebrannt worden. Jeden Song, aber nun wirklich jeden, singe ich aus dem Effeff mit und verbinde alle, ganz ungewollt, auch gleich mit einem Erlebnis aus meinen jungen Jahren. Aber wessen Eltern, der Kinder meiner Generation, haben nicht Jahrein Jahraus, immer wieder eine neue CD dieser Kultband gekauft? Und sie hörten sie im Auto, unter der Dusche, beim Einschlafen, eigentlich ununterbrochen. Ja, Marie Fredriksson und Per Gessle gehörten zu des Eltern Alltages und so kamen auch wir nicht drum herum, dass sich die Musik dieser Schweden in unseren Gehirnwindungen bis in die Ewigkeit und noch zwei Tage einnistete.
Doch bevor, ja ganz genau, Roxette, diese Openair-Bühne betreten würde, kosteten wir Zuschauer eine andere Band aus dem hohen und dünnbesiedelten Norden aus. Eskobar, auch seit den 90ern mehr oder minder einem breiten Publikum bekannt, durfte den Hauptact heute unterstützen. Gleichwohl sie nur da waren, um das Publikum für Marie und Per aufzuheizen, vermochten Eskobar nicht von sich selbst zu überzeugen und die Anwesenden anzustimmen. Das Publikum blieb gelassen sitzen und wartete geduldig auf die Band, für die sie heute gekommen waren.
Diese starteten dann aber aus vollem Rohr. Knapp einen halben Ton vermochte Roxette anzuspielen, schon stand das ganze Publikum klatschend zum Takt von „Sleeping In My Car“ in Reih und Glied. Dass die Stühle bis zum Schluss des Konzertes wohl nicht mehr gebraucht würden, vermochte ich in diesem Moment nicht vorherzusagen.
Doch Roxette wäre nicht die Kultband, die sie ist, wenn sie nicht nach 30 Jahren Bühnenpräsenz (Ok, zugegeben mit leider ungewollten Unterbrüchen) auch den letzten Greis vom Stuhle reisst würde. So liess der Liedsänger Per auch als erstes verlauten: „If you don’t know the lyrics, sing along anyway“. Eine klare Aufforderung an das Singorgan jedes einzelnen Besuchers. Dementsprechend folgte denn auch ein Hit auf den nächsten, verziert nach dem Gusto der gesamten Hörerschaft mit lauten Gitarren und Beats, bevor Marie ein erstes grosses Intermezzo in diesem Konzert aufbaute. Denn wer kennt ihn nicht, den wunderbaren Ohrwurm „Spending My Time“? Zumindest kannte ihn das ganze Live At Sunset Publikum. So musste die bezaubernde Marie nur einen Ton von sich geben und schon stimmten alle unisono mit ein. Ein erstes Highlight mit Gänsehauteffekt.
Es bliebt kaum Zeit den einen Song zu geniessen, schon zogen Marie, Per und ihre glanzvolle Entourage, bereits den nächsten Evergreen aus der Tasche. Bei „Crash! Boom! Bang!“ versagten zum ersten, aber nicht letzten Mal, auch meine Stimmbänder.
Der wohl eindrucksvollste Moment des Konzerts folgte sogleich. Mit „Watercolours In The Rain“ sprach die Band ihre ältesten und treuesten Fans an. Die Präsentation dieses Stückes hätte schöner nicht sein können. Allein, die schon fast zerbrechlich wirkende Marie auf der Bühne, nur begleitet durch die wohligen Klänge eines Pianos, gespielt von der talentierten Backgroundsängerin Dea. Ein wirklich ergreifender Moment, den das Publikum mit schallendem Applaus goutierte.
An dieser Stelle sei auch das unglaubliche musikalische wie auch menschliche Zusammenspiel der Hauptakteure Marie und Per mit ihren Bühnenkollegen erwähnt. Für die Show auf der Bühne sorgen nicht minder auch die Bandmitglieder, allen voran, die bereits erwähnte Backgroundsängerin Dea, welche stimmlich mit der Sängerin Marie glanzvoll harmonierte und zusammen mit dem Leadgitarrist, Christopher Lundqvist, unermüdlich die Bühne rockten. Dieser sorgte auch gleich für einen amüsanten und lustigen Moment, als er in bester Rockermanier, mit „Es Buurebüäbli mani nid“, einen Schweizer Klassiker, auf seiner Gitarre dahinschmetterte.
Dieses Zusammenspiel aller Bandmitglieder war zwar durchaus gelungen, dennoch vermochte es nicht darüber hinwegzusehen, dass die Sängerin, Marie Fredriksson, körperlich, nach ihrer Krankheit, schwer angeschlagen ist. Tapfer kämpft sich Marie durch den Konzertabend und stimmlich schafft sie doch immer wieder das Publikum zu überzeugen. Marie lässt sich nicht unterkriegen, so der Tenor der dem Publikum wohl übergebracht werden will. Doch bleibt trotzdem ein bitterer Nachgeschmack zurück, getragen von Mitgefühl und Sympathie für die schillernde Figur dieses Abends.
Fast schon ironisch folgen mit „Fading Like A Flower“ und „How Do You Do“ gleich im Anschluss zwei Klassiker, bevor der Höhepunkt des Konzerts, so scheint es, das Publikum zum Kochen brachte. Der wohl bekannteste Song „It Must Have Been Love“ durfte natürlich nicht fehlen. Die Sängerin, wieder alleine, begleitet von einer akustischen Gitarre, musste das Lied nur anstimmen und das Publikum vollführte den Rest. Auch hier wurde Roxettes eingefleischte Fangemeinde wieder omnipräsent allen bewusst. Stehende Ovationen liessen die Band wissen, sie sind immer noch Kult.
Doch, bekannt wurden die Schweden ja nicht etwa durch Balladen, wie die eben erwähnte, sondern durch soliden Pop. Diesem wurde über das ganze Konzert hin auch Rechnung getragen. „Do you want party?“ Rief Sänger und Gitarrist Per ins Mikrofon und schon versetzten die nächsten zwei Hits, „Dressed for Succses“ und „Dangerous“, ganz ohne musikalische Atempause dazwischen, das Publikum irgendwo hin in die 80er und 90er Jahre.
Wie könnte es auch anders sein, als das der Grösste aller grossen Songs dieser Band den Abschluss machte. Schon fast wehmütig, im Wissen, dass es dem Ende zugeht, wippten die Zuschauer zu „Joyride“ mit dem ganzen Körper und bis hin ins letzte Haar. Und auch ich liess es mir nicht nehmen, die Stimmbänder noch einmal bis zum Äussersten auszureizen. Hätte ich gewusst, dass sowohl „Listen To Your Heart“ als auch „The Look“ noch als Zugabe gespielt werden, ich hätte mich doch noch etwas geschont.
Ein überwältigendes Konzert mit der untergehenden Sonne als Lichtkonzept. Wer nicht begeistert war muss taub und blind gewesen sein. Und auch wenn Roxette nicht (mehr) bekannt ist für neuen eingängigen Sound, so sind sie doch umso mehr beliebt durch die Musik, die eine ganze Generation bewegt hat. Es war schön zu sehen, dass nicht nur diese Generation zu den treuen Fans der Gruppe gehört. Nein, eben auch Leute wie ich, also die Töchter und Söhne dieser Altgedienten und mittlerweile domestizierten 80er Jugend. Auch wir können noch jedes Lied mittrillern und selbst wenn wir nicht bereits nach dem Motto „Fading like A Flower“ immer noch mit den alten Tour Trikots aus den Jahren zwischen 1990 bis 99 an diesen Anlass kommen, finden wir dennoch, Roxette ist ein absolutes Muss für jeden Musikgeniesser und beinahe eine Bildungslücke für den, der’s nicht kennt. Eine ganz grosse Kiste, heutzutage verpackt in kleinen bis mittleren Festivals, die das Leben so richtig schön machen. Danke Marie und Per für einen wundervollen Abend und das Schwelgen in Erinnerungen.
Setlist:
Sleeping In My Car
The Big L.
Stars
Spending My Time
Crash! Boom! Bang!
She’s Got Nothing On (But The Radio)
Watercoulours In The Rain
Fading Like A Flower
How Do You Do
It Must Have Been Love
Dressed For Success
Dangerous
Joyride
Zugaben
Listen To Your Heart
The Look
Text: Sebastian Leiggener
Bilder: Jasmin Rose