Datum: 13. Mai 2015
Ort: Kongresshaus – Zürich
Band: Rodriguez
Das bestuhlte Kongresshaus in Zürich an zwei Abenden ausverkauft. Und das bei einem Singer-Songwriter von 73 Jahren und mit „nur“ zwei Schallplatten an Material im Gepäck. Wer vollbringt diese Leistung? Sein Name ist Sixto Diaz Rodriguez, geboren in Detroit, Mexikanisch-Amerikanischer Abstammung und eigentlich sein Leben lang als ganz normaler Mann hart arbeitend, nachdem er seinen Traum vom Musiker schon in jungen Jahren wieder an den Nagel gehängt hatte.
Der Ruhm oder der Kultstatus von Rodriguez entstand bei uns in Europa und auch seiner Heimat erst nachdem 2012 der Dokumentarfilm „Searching For Sugar Man“ für Furore sorgte. Die Geschichte von Sixto und seiner Musik ist einzigartig und bewegend. Während in den 70er Jahren vor allem in Südafrika, Neuseeland und Australien seine Songs zu Hymnen wurden, die jedes Kind kennt, wusste er all die Jahre nichts von seiner Bekanntheit.
Dies änderte sich schlagartig, als der Schwedische Filmer Malik Bendjelloul eben diese Dokumentation drehte, bei der er sich auf die Suche nach dem todgeglaubten Musiker machte. Wer den Film „Searching for Sugar Man“ noch nicht gesehen hat, dem lege ich diesen wirklich ans Herz, wunderschön und rührend. Die Musik von Rodriguez hat eine unglaubliche Magie. Den Soundtrack zum Film, der die beiden Alben „Cold Fact“ (1970) und „Coming from Reality“ (1971) beinhaltet, sind immer wieder wohlig schön anzuhören.
Was war das jetzt aber gestern Abend im Kongresshaus?
Einerseits war die Stimmung und Atmosphäre im Saal so oder so schon seltsam. Ok, an Konzerten mit nummerierten Sitzplätzen bin ich normalerweise eh nicht, ein ungewohntes Gefühl. Und dann sitzt man da also abwartend und eingepfercht zwischen überkandidelt lustig wirkend wollenden Züriberg-Tussen (sorry der Ausdruck, aber er passt …), die plappernd, überparfürmiert und non-stopp in ihren Haaren fummelnd gackern. Und andererseits bereits mit Bier gefluteten, grölenden Proleten, die dauernd dümmliche Kommentare in den Saal brüllen … das wird Nerven brauchen.
Und andererseits diese Kultfigur Rodriguez, der sehr zerbrechlich wirkt, als er von zwei Damen auf die Bühne begleitet wird. Sixto ist gealtert, ganz klar und wer noch einen Auftritt von ihm in jungen Jahren gesehen hat, der gehört wohl zu einer Rarität. Er wirkt sehr charmant und herzlich und auch mit dem fehlenden Ruhm über all die Jahre dazwischen, scheint er ein zufriedenes Leben geführt zu haben. Das strahlt er auf alle Fälle aus.
Seine Stimme ist sehr zart und nur selten bricht seine frühere Energie durch, die man ab Platte kennt. Er wirkt verloren, auf der übergrossen Bühne und vor diesem starrenden, erwartungsvollen Publikum in Zürich. Wären da nicht seine Musiker, die hochprofessionell die meisten Parts übernehmen, dann wäre nicht viel zu hören gewesen.
Und am seltsamsten empfand ich, dass er reihenweise Coverversionen von Klassikern wie „Fever“, „La Bamba“ etc. spielte, dafür fast keine eigenen Lieder. Aber genau wegen denen sind all die Besucher ja gekommen? Seine Songs mit den gesellschaftskritischen Texten, den verführerischen Melodien, die sich als Ohrwürmer tief in die Herzen nisteten. Wieso spielte er die nicht? Zwei Alben sind doch mehr als genug Material, um einen Abend füllen zu können. Ist es Unsicherheit, mag er seine Lieder selber nicht mehr oder weshalb ist das so? Diese Frage bleibt wohl unbeantwortet.
Klar ist, Rodriguez ist und bleibt eine Kultfigur mit einer aussergewöhnlichen Geschichte. Wieso er sich diese Konzerttour antut, ist fragwürdig. Nachdem was ich gestern erlebt habe, fände ich es sympathischer, er würde es nicht mehr tun, es bricht mir das Herz, in so zu sehen. Seine Magie ist in seiner Musik und das bleibt bestehen und dafür möchte ich ihm danken.
Text + Bilder: Nicole Imhof