The Hall – Dübendorf
Samstag, 29. Oktober 2022
Text: David Spring / Bilder: Berend Stettler
Ich kann mich an keine Zeit erinnern, zu der ich Placebo nicht kannte. Den mehr als berechtigten Grund, warum ich die Band schon so lange feiere, bewiesen Brian Molko und Stefan Olsdal letzten Samstag mit ihrem fulminanten Gig in The Hall in Dübendorf einmal mehr.
Den Auftakt machte in der bereits gut gefüllten Halle die Gruppe Deadletter aus London. Deren Sound besteht aus groovigem Post-Punk mit mehrstimmigem Gesang, Reggea- und Soul-Einflüssen und einem Saxofon. Jawohl, das unpunkigste aller Instrumente ist fester Bestandteil der Band, was zu sehr interessanten Klängen führte. Die Bühne war ungewohnt dunkel, was zusammen mit der sehr tiefen und monotonen Stimme von Sänger Zac Lawrence einen wunderschön düsteren Vibe vermittelte.
Die tanzbaren Songs sorgten für Stimmung. Speziell „Pop Culture Connoisseur“ und „Fit For Work“ brachten die Leute zum Abgehen. Die Saxofonistin entlockte ihrem Instrument die schrägsten Töne, die zackigen Grooves und Rhythmen heizten The Hall so richtig auf. Mit dem hervorragenden „Zeitgeist“ als letzter Abriss gab es kein Halten mehr. Deadletter überzeugten mit ihrer eigenwilligen und innovativen Musik sehr.
Die Vorfreude stieg ins Unermessliche und nach einem kurzen Intro waren sie endlich da: Placebo legten mit „Forever Chemicals“ vom neuen Album „Never Let Me Go“ lautstark los. Der Sound war bombastisch und laut, unglaublich, was für ein Brett Brian und Stefan zusammen mit ihren vier Mitmusiker:innen vom Stapel liessen.
Das bunt gemischte Publikum war augenblicklich dabei und sang jeden Ton mit. Ich war ab all der Energie richtig überrascht, da ich eher eine zerebrale Vorstellung erwartet hatte, doch Placebo rockten, was das Zeug hielt. Der Fokus lag auf der neuen Platte, ganze elf Songs davon sollte es geben. Diese Stücke wie „Hugz“, „Surrounded By Spies“ oder „Chemtrails“ sind mehrheitlich laute, bombastische Rocker, die Molkos unvergleichliche Stimme mitten ins Zentrum stellen. Der beschnurrbarte Herr ist nicht die grösste Rampensau aller Zeiten, dafür bot Olsdal umso mehr für Ohr und Auge. Der schwedische Hüne stolzierte über die Bühne, warf sich in Posen, wechselte zwischen Bass und Gitarre und setzte sich beim fantastischen „Too Many Friends“ an den Konzertflügel.
Das Konzert war ein einziger musikalischer Hochgenuss. Zeit für Pausen oder Interaktion blieb kaum, die Songs folgten Schlag auf Schlag. Natürlich gibt es trotz der neuen Stücke ein paar Placebo-Hits, die nicht fehlen durften. „For What It’s Worth“ rockte The Hall gewaltig durch, doch die letzten drei Songs übertrafen alles: das todtraurige und geniale „Song To Say Goodbye“, das epische „The Bitter End“ und zu guter Letzt der Übersong „Infra-Red“ – was für ein Abschluss!
Es ist beeindruckend, wie gut Placebo seit Jahr und Tag live und wie stark ihre Songs sind. Auch wenn ich nicht mehr jede Textzeile mitsingen kann, ich fühlte mich wohlig warm aufgehoben. Vielleicht schlugen deswegen die Zugaben nicht mehr ganz so ein, waren mit „Shout“ von Tears For Fears und der obligaten Interpretation von Kate Bushs „Running Up That Hill“ gleich zwei Covers dabei. Aber egal, denn es war ein wunderschönes, energiegeladenes und fantastisches Konzert.
Setlist Deadletter [Quelle: Band]
1. Weights
2. Snitching
3. Pop Culture Connoisseur
4. More Heat!
5. Degenerate Inanimate
6. Binge
7. Hysterical Strength
8. Fit for Work
9. Zeitgeist
Setlist Placebo [Quelle: Setlist.fm]
1. Forever Chemicals
2. Beautiful James
3. Scene of the Crime
4. Hugz
5. Happy Birthday in the Sky
6. Bionic
7. Twin Demons
8. Surrounded by Spies
9. Chemtrails
10. Sad White Reggae
11. Try Better Next Time
12. Too Many Friends
13 Went Missing
14. For What It’s Worth
15. Slave to the Wage
16. Song to Say Goodbye
17. The Bitter End
18. Infra-red
Zugaben
19. Shout
20. Fix Yourself
21. Running Up That Hill (A Deal With God)