25. Oktober 2016
Hallenstadion – Zürich
Band: PJ Harvey
Langsam und schier andächtig erhebt sich hinter der Bühne eine Wand aus rechteckigen Formen – spärlich beleuchtet und doch extrem wirkungsvoll dank dem überlegten Spiel zwischen Licht und Schatten. Fast unmerklich erscheint dieses einzige Schmuckelement hinter den Musikern und schier übersieht man diese Bewegung. Denn an diesem Auftritt wurde nichts dem Zufall überlassen, hier passiert nichts spontan und ohne Regie. Das Konzert von PJ Harvey und ihrer Band im zum Club verkleinerten Hallenstadion war weit mehr als nur live dargebotene Musik – es war ein künstlerisch wertvolles Spiel zwischen Klang und Theater.
Ohne eine Vorgruppe und in einem straffen Zeitgewand zelebrierte Polly Jean Harvey ihre Musik als konsequente Weiterführung ihres bisherigen Schaffens. Das Rock-Gewand wurde abgestreift, auf der Bühne begleiteten sie neun Musiker an diversen Instrumenten. Immer wieder wechselten die Talente ihre Position und liessen Blechblasinstrumente, perkussive Eruptionen oder tiefe Keyboardharmonien in den Saal gleiten. Die Präsentation von „The Hope Six Demolition Project“ bediente sich unzähliger Erscheinungsarten und war einmal ein zerbrechlich akustisches Pflänzchen, nur um gleich wieder als Bagger elektrische Gitarren und laute Bässe zu zerdrücken.
Der Auftritt wurde zu einem kompletten Geschöpf, PJ Harvey war hypnotisierend in ihren Bewegungen und zog stimmlich alle in ihren Bann. Wie ein dunkler Elf leitete sie die Zuschauer mit ihrer Stimme von tiefen Erzählungen zu hohen Sternenlagen. Ohne Kommunikation zum Publikum ergab sich eine fragile Atmosphäre – man glaubte schier, die Musik verschwände, wenn man den Blick von der Bühne abwenden würde. Es war ein ergreifender Abend, der mit späterem Verlauf auch noch in der Vergangenheit der Künstlerin grub – in seiner reinen Form durch die Zugaben aber fast gestört wurde.
Trotzdem, einen solch perfekten Live-Moment erfährt man viel zu selten. Es war die Elimination von Ego und Personen, komplett dem Inhalt dienend. Und PJ Harvey verlangt mit ihrer Musik ja schon seit langem tiefe Aufmerksamkeit, ihre Lieder sind politische Reportagen und Weltbetrachtungen. Dank genialer Ausleuchtung, noch besseren Musikern und der eigenen, herausragenden Stimme brillierte die Musikerin in Zürich für viel zu kurze Stunden.
Text: Michael Bohli
Bilder: Thomas Lang