14. Juni 2018
Kaserne – Basel
Mit: Susanne Sachsse / Xiu Xiu
Drei Köpfe, alleine strahlend in der Dunkelheit. Sich nicht widersprechend, aber trotzdem nie ganz auf einer Ebene – dazu das immer wieder wilde Aufflackern von alten TV-Geräten, ein Licht, das sich wie eine Aufforderung zwischen Fragen und etwaige Antworten stellt. Und wenn dann immer noch gezögert wurde, schnellte ein lautes Pochen des Schlagzeugs dazwischen, ein Schrei mit Gitarre und Stimme. Nein, gemütlich war es bei der Performance des neustes Stückes von Susanne Sachsse in der Kaserne Basel selten, viel eher wurde man tief in die Wirbel einer menschlichen Psyche und den damit verbundenen Emotionen gesogen. „Original Sin – A Concert“ hiess die Aufführung und bot genau dies: Sünde, Vergebung, Verwirrung, Klärung und laute Musik.
Dass ein Auftritt von Xiu Xiu an der Art Basel kein normaler sein konnte (ja, auch für seine Verhältnisse), dass sollte eigentlich klar sein. Trotzdem war es ein kleiner Selbstversuch, dieses musikalisch verstärkte Theater am Donnerstag zu besuchen. Denn „Original Sin – A Concert“ von der deutschen Künstlerin und Schauspielerin Susanne Sachsse ist nicht bloss eine Erzählung, es ist eine persönliche Aufarbeitung von familiären Wurzeln und Vergangenheiten. Die Geschichte ihrer Grossmutter, welche sich zu den Zeiten der DDR ihre eigene Form von Zusammenhalt und Haushalt in einer Liegenschaft aufbaute und somit gegen die sozialistische Moral verstoss, ist wundersam und kurios zugleich.
Und wenn man nun diese Gegebenheiten via lauter und experimenteller Lieder erfahren durfte, dann wusste man als Zuschauer selber nicht, welche Position man nun einnehmen sollte. Geschickt wurde diese Ungewissheit dadurch verstärkt, dass man weder Sitzplatz noch genaue Position zugewiesen bekam, sondern zwischen der Bühne mit Xiu Xiu (Jamie Stewart) am Schlagzeug und Gitarre, sowie den Podesten mit den lesenden Marc Siegel, Vaginal Davis und Susanne Sachsse umherschleichen musste. Immerzu auf der Suche nach der richtigen Position, dem Überblick und Tiefgang. Kryptische Songtexte, oft als Dialog vorgetragen, versuchten die Gefühlswelten zu transformieren, schneidende Beats und krachende Riffs zerstörten die Fundamente der beschönigten Geborgenheit.
Auf den Bildschirmen trafen sozialistische Propagandavideos auf verstörende Videoarbeiten – der Kampf zwischen den Gesellschaftsformen drängte sich nach Basel zurück und versuchte unsere scheinbar klaren Moralvorstellungen erneut zum Einsturz zu bringen. Und immer wenn man sich in einem Lied wiederfand, ein Vortrag, der zwischen Art-Rock und queerem Pop landete, dann wurde diese Illusion gleich wieder durch Kaskaden von Lärm und Schmerz zerbrochen. Dunkel war „Original Sin – A Concert“ immer, aber auch ungeahnt vielseitig. Es ist also logisch, durfte Xiu Xiu die Musik dazu beisteuern und sich damit erneut weit von seinem letzten Album „Forget“ entfernen. Denn diese Aufarbeitung von persönlichen Hintergründen und weitreichenden Fragen war nie einfach und nie befreiend – aber nötig und präzise ausgeführt.
Text: Michael Bohli