8. Februar 2019
Diverse Orte – Baden
Bands: Asbest / Jungstötter / Air Waves / Tanukichan
Website: ooam.ch
Wenn die diesjährige Ausgabe des One Of A Million Festivals in Baden etwas bewiesen hat, dann Lust an der mutigen Programmgestaltung. Jeder Abend konnte mit mindestens einer Überraschung aufwarten, viele Konzerte bogen in unerwartete Gebiete ab, Künstlerinnen und Künstler zeigten sich immer wieder experimentierfreudig. So wurde das Feld des Indie-Pop mit Jazz und Electronica gesprengt, das Songformat mit abwegigen Mustern. Natürlich ist es dann erlaubt, sich einmal konventioneller zu geben.
Der Freitagabend wusste zu Beginn weniger zu schockieren, sondern versuchte die bekannten Gefühle der Jugendzeit wieder aufzuleben. Tanukichan aus Amerika nahmen den Club Joy in Beschlag und füllten alsbald jeglichen freien Platz mit Rückkopplungen und Verzerrungen. Das Duo, gegründet von Hannah Van Loon, gab sich dem College-Rock hin, verbunden mit leichten Ausflügen in den Post-Punk. Begleitet vom Drumcomputer, versanken Bass, Gitarre und Stimme aber immer wieder in einer unausgeglichenen Abmischung, welche den Songs die Energie nahm und das Konzert schnell seiner Lust beraubten. Schade, denn die Ideen und die Freude am Lärm wären bei dieser Gruppe auf jeden Fall vorhanden gewesen, so aber landete man im Umfeld einer Schülerband.
Die Eröffnung der Stanzerei-Bühne gebührte an diesem Freitag von weit her angereisten Musikern: Die Singer-Songwriterin Nicole Schneit alias Air Waves aus Brooklyn besuchte mit ihrer Band Baden. Ob sich die Reise gelohnt hat? Das Publikum reagierte zumindest verhalten. Trotz guter Musiker wollte lange kein Druck aufkommen, die Indie-Songs plätscherten vor sich hin, die Stimmung blieb seicht. Erst mit den letzten beiden Songs bewies die Band, dass es auch wild und ausbrechend geht und sie das Publikum in ihren Sog ziehen kann. Bitte mehr davon!
Schon ab dem ersten Ton ins Herz traf dafür der Auftritt von Jungstötter. In unverkennbarer Anlehnung an Grossmeister Nick Cave rollte der ehemalige Sizarr-Sänger nun den samtschwarzen Teppich aus, um darauf wunderbare Gothic-Pop-Balladen auszubreiten. Mal zwischen eigenen Pianoklängen, mal durch die voluminöse Instrumentierung der grossartig aufspielenden Band hindurch wurde man von der tiefen Stimme eingenommen und versank mit Freude in der Melancholie. Schwere, Schmerz und Zartheit – hier vermengten sich auch die grossen Gegensätze zu einer tragenden Einheit. Da hätten wir noch stundenlang zuhören können – definitiv ein Highlight am diesjährigen OOAM.
Zu (unserem) Abschluss musste die extreme Intensität her, sonst wäre unser letzter Besuch am diesjährigen Festival etwas zaghaft ausgefallen. Aber das Basler Trio Asbest ist ein steter Garant für brachiale Auftritte, welche den Noise-Rock nicht nur in die Gemäuer, sondern auch in deine Knochen und Organe pressen. Angeführt von den Schreien der Frontfrau Robyn Trachsel und ihrer Gitarre, wälzte sich die Gruppe über die Besucher und aktuellen Trends hinweg, brachte mehr als nur ein paar Stangen Dynamit am Etablissement an, kotzte über die Lethargie und daraus resultierende Ungerechtigkeit. „Driven“ heisst ihr erstes Album, getrieben war auch der Auftritt im Royal. Jonas Häne strotzte mit wildem Schlagzeugspiel der Erkältung, Judith Breitinger verursachte mit ihrem Bass grosse Risse im Gefüge. Laut, wütend, geil.
Mehr als glücklich und überzeugt taumelten wir in Richtung Bahnhof und waren uns eines ganz sicher bewusst: Das One Of A Million Festival wird auch nächstes Jahr besucht werden. Denn in Baden gibt es nicht nur jedes Jahr viele neue Bands zu entdecken, sondern auch eine wunderschöne Konzertatmosphäre zu geniessen und nette Menschen zu treffen. 2020 wird sowieso Pflicht, feiert das OOAM dann sein zehnjähriges Bestehen. Was wird uns da wohl erwarten?