1. Februar 2018
Diverse Lokale – Baden
Bands: Aquaserge / Mind Shifter / Anna & Stoffner / Linda Vogel
Website: ooam.ch
Der Februar, was kann dieser abgekürzte und irgendwie richtungslose Monat schon vorweisen? Zum neunten Mal in Folge beispielsweise ein Festival, das in der Kleinstadt Baden Ausgabe für Ausgabe beweist, dass auch die grössten Szenenkenner noch nicht alle Bands entdeckt haben können. One Of A Million heisst die Zusammenkunft und will auch 2019 aufzeigen, dass wir alle unter vielen leben, alle wichtig sind, alle strahlen können. Dabei ist es der Festivalleitung ein Anliegen, dass man in der Programmwahl immer wieder Experimente zulässt, schwierige Begegnungen provoziert und für zahlreiche Überraschungen sorgt. Das funktioniert wunderbar, was sogleich der erste Abend bewiesen hat.
Denn wo sonst gibt es eine Harfe zu hören, welche so modifiziert wurde, dass Mithilfe von Effektpedalen die Basssaiten automatisch bedient werden können? Die Zürcher Musikerin Linda Vogel verführte aber nicht nur mit der Technik, sondern den erzählend aufgebauten Pop-Songs. Geschichten waren es, keine Lieder – wunderbar ausgeschmückt von Schlagzeuger und Perkussionist Vincent Glanzmann, toll ausformuliert mit Lindas Stimme. Ein Auftakt, der Entdeckerfahrt und intime Begegnung zugleich war, ein Konzert, das auf die im April erscheinende Platte mehr als neugierig machte.
Nicht sehr erheiternd ging es anschliessend in der Stanzerei weiter: „Du bist falsch, du bist falsch, du bist falsch“, wurde einem gleich als erstes als erstes entgegengeschmettert. Anna und Stoffner brachten einen Mix aus Poetry Slam, Rap und schleppenden Gitarrenklängen nach Baden, der von der Redaktorin sofort identifiziert wurde als allmorgendlich aus dem Radio schallender und leicht deprimierender Duschbegleiter. Die Texte von Anna bewegen sich nämlich meist irgendwo zwischen klagend und wütend: Gesellschaftskritik ist eben anstrengend. Solche Experimente sind zumindest Geschmackssache. Auf jeden Fall pfeift damit aber ordentlich frischer Wind durchs OOAM.
Frisch und bisher ungesehen war das darauffolgende Tanzereignis mit Mind Shifter aus der Türkei. Das Trio, welches in der Druckerei in Baden ihr erstes Konzert in Europa spielen durfte, liess instrumentale Stücke auf die Besucherinnen und Besucher los, welche sich von grossartigen Basslinien über pulsierende Schlagzeugrhythmen, bis zu funkelnden Synthesizermelodien hangelten. Zwischen Synthwave, New Wave und Neunziger, wie eine hanebüchene Zusammenführung von Achtzigerschick und Tranceglitzer – aber halt doch unwiderstehlich in die Beine gehend. So klingt die Zukunft, oder war es doch die Vergangenheit?
Weit zurück griffen danach Aquaserge im Royal – vermengte die Gruppe schliesslich Jazz, Progressive Rock und lärmende Psychedelica. Aus Frankreich angereist, war es nicht nur die Truppe mit den meisten Mitgliedern, sondern auch den wildesten Tonfolgen. Das erinnerte gewisse Anwesenden an King Crimson oder die Titelmelodie von „Mission: Impossible“, war ein Schlag vor den Kopf und Rechenaufgabe zugleich. Doch als sich die ersten Songs zwischen Magen und Herz niedergelassen hatte, da wurde man auch mit dieser Wildheit und Unverfrorenheit warm – wunderbar illuminiert von dem OOAM-Schriftzug, umgeben von bekannten Gesichtern.
Das machte nicht nur Mut, sondern auch viel Lust, den zweiten Tag alsbald wieder beginnen zu können. Was erwartet einem wohl noch?