3. August 2018
Schützi – Olten
Bands: Leech / Mother’s Cake / Len Sander / Ikan Hyu / Dachs / Roamer / Dog Daughterz
Webseite: oltenair.ch
Mit seiner zweiten Ausgabe hat das OltenAir hoffentlich seinen festen Platz im schweizer Festivalkalender bekommen. Während der Freitag eher den Stromgitarren und Synths gewidmet ist, wird am Samstag dem Hip-Hop gehuldigt.
Wie mir jemand verriet sind die Dog Daughterz, die das Openair beim und im Kulturzentrum Schützi in Olten eröffneten, so etwas wie der neue Stolz der Stadt an der Aare. Die 4 jungen Frauen fanden sich im Rahmen vom Female Bandworkshop Anfang 2017. Aus dem Projekt entwickelte sich nach und nach eine gute Freundschaft und es entstand eine Band, die energiegeladenem Garage-Punk-Rock zum Besten gibt. Die Combo entwickelt sich, das merkt man den Songs an. So waren doch die angekündigten neusten Würfe fulminanter, treibender, ausgelassener. Geile Drums, dröhnender Bass (dem Big Muff sei Dank), Gitarre die zwischen Singlelines und drückenden Riffs wechselt, gepaart mit der zarten Stimme der Sängerin Lili. Die Musikerinnen waren zwar noch etwas gar zurückhaltend auf der Bühne und vielleicht auch etwas unsicher, aber das kann man ihnen nicht verübeln, hatten sie doch noch nicht so viele Gelegenheiten zu Live aufzutreten. Aber das kommt gut. Und man darf sich darauf freuen.
Mit ein wenig Verspätung – gar nicht tragisch, weil sich unter der Nieseldusche abzukühlen und ein weiteres Bier zu holen tat durchaus Not – ging es auf der Innenbühne der Schützi weiter mit Roamer aus Solothurn. Der Sound der 4 Jungs, der sich zwischen Alternative Rock, jazzigen Einwürfen, Art- und Post-Rock bewegt war unkonventionell und faszinierend zugleich. Lärmige Passagen wechselten sich mit zerbrechlichen Abschnitten ab, gewisse Gesangspassagen erinnerten an die frühen Radiohead. Der Synthsound füllte die Halle, komplexe metallene Riffs endeten in Geräuschorgien. Unglaubliche Kompositionen die das Publikum fordern… vielleicht den grundsätzlich schon überhitzten Gehirnen geschuldet war die Halle leider nicht so voll wie sie hätte sein dürfen. Schade eigentlich.
DüDaDo. Von Dachs hatte ich schon viel gehört. Der Elektropop der beiden St. Galler begeisterte mit warmen durch wummernde Bässse getriebenen Harmonien und coolen Synthgrooves. Smarte Texte, meist in Kopfstimme gesungen, lockten den Zuhörern ein Smile auf das Gesicht und Sänger Basils Attitüden taten ihren Rest zur ausgelassenen Stimmung. Und man kann sie für Hochzeiten buchen. Sie geben sicher die perfekten Wedding-Crashers ab. Das wird Pflumebaum!
Ohne Pause zu Len Sander aus Zürich, die sich irgendwo zwischen Elektropop und Trip-Hop bewegen. Mal ruhig und verhalten, die Stimme der Frontfrau Blanka tragend und raumfüllend. Es war immer wieder eine Mischung zwischen schwelgen und Tanzen wollen. Wenn die Synths losknurrten, das Schlagzeug stampfende Grooves brachte und die Gitarre virtuos und mit Leichtigkeit darüber sang, hatte man keine andere Wahl als sich trotz der drückenden Hitze zu Bewegen.
Sowieso, als Mother’s Cake die Bühne betraten. Da gings richtig los. Die 3 Tiroler zeigten was Rock’n’Roll ist, und zwar vom ersten Augenblick an. Kein Halten. Was für eine Entdeckung an diesem verschwitzten Abend. Aber auf ein wenig mehr oder weniger kam es ja sowieso nicht mehr an, also ab in den Moshpit. Der Druck, der Groove, unglaublich. Mal psychadelisch, mal straight ahead machten die 3 langhaarigen Musiker den Openairbesuchern einfach mal klar wie man mit Bass, Gitarre und Schlagzeug noch so manch andere Band mit grösserer Besetzung an die Wand spielen kann. Platte? Will haben.
Das OltenAir war irgendwie auch ein Treffpunkt ganz vieler Leute die man seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Und schuld daran trugen ziemlich sicher die Zofinger Leech, die wieder mal eines ihrer eher seltenen Konzerte zum Besten gegeben haben. „The Man with the Hammer“ war schon mal ein Hammer als Einstieg, gefolgt von „October“ und „Turbolina“. Selbst nach Jahren sind Leech immer noch und immer wieder eine Offenbarung. Ihr Post-Rock ist und bleibt wie er ist, er hat unglaublichen Druck, scheint simpel und ist doch komplex. Ja, die Songs sind so schön, sie lösen sich im Kopf der Zuhörer in Glücksgefühlen auf! So wollte das Publikum die Band auch fast nicht von der Bühne lassen und sie wurden zweimal zurück auf die Bühne geholt, als zweite Zugabe wurde mein persönlicher all-time-favourite „Demonic Voices“ gespielt! Danke Jungs.
Es war eine Zeitreise durch die letzten 20 Jahre Leech, inklusive 2 Kostproben auf das was im Herbst mit der neuen Platte auf uns zukommen wird. Es kommt gut. Sehr gut sogar. Watch out.
Eine meiner Entdeckungen diesen Sommer waren Ikan Hyu die den Abschluss der Konzerte am OltenAir 2018 bildeten. Was die 2 jungen Ostschweizerinnen mit Snare, 2 Becken, Drumpad, Synth, Gitarre und ihren Stimmen aufs Parkett legen ist der Wahnsinn und reisst alle mit. Immer wieder einander gegenseitig an den Instrumenten aushelfend oder übernehmend ist ihr Sound irgendwo zwischen Elektro, Stromgitarren, R’n’B und Hip-Hop angesiedelt oder wie sie es selbst nennen: Elastic plastic future space pop. Crazy! Mehr davon.
Schade konnten Ikan Hyu den Gig aus gesundheitlichen Gründen nicht fertig spielen, aber jeder der noch nicht genug hatte, konnte die Gelegenheit nutzen zu Moritz Gourmet den letzten noch vorhandenen Rest an Wasser im Körper rauszuschwitzen oder aber den Abend im freien ausklingen zu lassen. Was für eine Nacht!
Es ist schön gibt es das OltenAir. Bleib so, wir kommen wieder!
Text: Mischa Castiglioni
Bilder: Kathrin Hirzel