9. Juli 2018
Auditorium Stravinski – Montreux
Bands: Nine Inch Nails / Gary Numan
Der Schweiss lief überall runter, die Kühlung des Auditoriums existierte nur noch in fernen Gedanken. Im Innersten spürte man langsam die Wut aufsteigen, in positiver Form, während der Rest der chemikalischen Stoffe im Körper zu purer Extase führten. Geblendet von den extremen Scheinwerfern warf man sich in eine weitere Welle aus Lärm, Bass und Druck – bis man am Ende fast ungläubig zwischen den restlichen Besuchern des Saales stehen blieb. Spielten Nine Inch Nails aus Amerika hier in Montreux gerade ihr bestes Konzert seit einer Ewigkeit? Oder wurde man von dem euphorischen Trent Reznor einfach mitgerissen? Wie auch immer, das Jazz Festival bewies mit diesem Abend erneut viel Mut und Offenherzigkeit.
Wobei auch die wichtige Position des Montreux Jazz Festivals in der Musikgeschichte am Montag bewiesen wurde. Denn wer Gary Numan und Nine Inch Nails auf der gleichen Bühne auftreten lässt, der hat in den letzten Jahrzehnten eindeutig aufgepasst. So verwunderte es auch niemanden, dass an diesem Abend in der strahlenden Sonne an der Riviera vor allem dunkel gekleidete Menschen umhergingen und schon früh den Schatten im Auditorium Stravinski suchten. Gut so, denn mit „Pressure“ und „Halo“ wurde man gleich in die frühen Jahre des dritten Millenniums zurückgeworfen, in eine Szenerie voller Schatten, Nebel und tosender Bässe.
Irgendwo zwischen blauem Licht, einzelnen Stroboblitzen und ausladenden Gesten brach der Kern des Dark Wave und Synthie-Pop durch die Dachbalken und zeigte, dass Gary Numan immer noch ein Garant für fesselnde Konzerte in der Dunkelheit des Herzens ist. Zwischen seinem neusten Album „Savages“, dem Vorgänger „Splinter“ und alten Hits pendelnd zelebrierte er nicht nur seine Musik, sondern die Gemeinschaft der Szene und die Möglichkeiten der heutigen Zeit. So war „Cars“ nicht nur laut und druckvoll, sondern wie auch „Are „Friends“ Electric“ eine neue Lust an elektronischen Effekten und heftigen Drums. Mittendrin besucht von seiner Tochter Persia endete dann alles mit grossem Hallo.
Und schürte natürlich die Erwartungen noch mehr, denn nach gewissen Unebenheiten am Festival in St. Gallen wollte man hier in Montreux die beste Form von Nine Inch Nails erleben dürfen – was auch von der ersten Sekunde an perfekt klappte. Reznor führte seine Truppe in ein Set voller brutaler Kracher, melodiöser Endstimmungen und neustem Material. Die böse Hexe besuchte Band und Besucher, liess bei „God Break Down The Door“ alles einstürzen und bannte die Flüche. Aber wer fühlte sich schon missverstanden, wenn man „March Of The Pigs“, „Burn“ und „The Hand That Feeds“ ertanzen konnte?
Wobei die erschütternden Highlights klar mit dem intensiven David-Bowie-Cover „I’m Afraid Of Americans“, dem im orgiastischen Noise und Licht versinkenden „The Great Destroyer“ und natürlich dem abschliessenden, hochemotionalen „Hurt“ gesetzt waren. Industrial ist noch lange nicht tot, und noch weniger Nine Inch Nails. Und so war auch klar, dass man seine Helden gleich selber feierte und mit Gary Numan noch einmal „Metal“ spielte. Ein dunkler Abend voller Druck und Treffer, ein Sieg für alle Anwesenden – und besonders für Trent, der sich wirklich freute.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Me, I’m Not
2. Sanctified
3. Wish
4. March of the Pigs
5. Burn
6. The Lovers
7. Reptile
8. Shit Mirror
9. Ahead of Ourselves
10. God Break Down the Door
11. I’m Afraid of Americans (David Bowie Cover)
12. Gave Up
13. The Great Destroyer
14. Less Than
15. The Hand That Feeds
16. Head Like a Hole
Zugabe
17. Metal (mit Gary Numan)
18. Hurt
Text: Michael Bohli
Bilder: Nicole Imhof