5. Juli 2019
Augusta Raurica – Augst
Bands: Nick Mason’s Saucerful Of Secrets / Anathema
Nick Mason spielte mit seiner Band bereits im September letzten Jahres in der Samsung Hall in Zürich auf. Da das Konzert damals eine Granate war, freute es mich umso mehr, dass der ehemalige Pink Floyd Drummer für ein Zusatzkonzert nochmals in die Schweiz zurückkehrte. Aber eins nach dem Anderen. Denn als Support Act gastierten die Liverpooler Anathema, auf die ich mich ebenso freute, wie gespannt war …
Es müssen mindestens zehn Jahre her sein, als ich die Briten das letzte Mal live erleben durfte. Seither ist bei der Band einiges passiert. Irgendwann nach dem Album „A Natural Disaster“ haben mich Anathema abgehängt und ich verfolgte deren musikalischer Werdegang nicht mehr so wirklich. Das lag vor allem daran, dass sich ihre Musik in eine Richtung bewegte, die sich nach und nach vom bewährten Anathema-Konzept wegbewegte und mich immer weniger berührte.
Zumindest in meiner nostalgischen Naivität hoffte ich, dass Anathema bei ihrem Auftritt wenigstens ein bis zwei Songs ihrer älteren Machwerke zum Besten geben würden. Doch die Hoffnung blieb ein Traum. Als einziger Wehrmutstropfen blieb für mich der Titeltrack „A Natural Disaster“. Kein „Judgement“ und schon gar kein „The Silent Enigma“. Vor allem die „Judgement“-Songs hätten doch an einem Abend wie diesem sehr gut zu Gesicht gestanden, offenbarten Anathema darauf doch zum ersten Mal offenkundig ihre Pink Floyd-Einflüsse.
Stattdessen widmeten sich Anathema lieber ihren experimentellen Sachen, die für mich doch irgendwie, na ja, weder Hand noch Fuss hatten. Vor allem, wenn man sich, so wie ich, so gar nicht mit ihren neusten Alben auseinandergesetzt hat, war ihrer ganzer Auftritt doch etwas sperrig für meine Ohren. Experimente finde ich ja schön und gut und zu gerne schaue ich über den musikalischen Tellerrand hinaus. Bei Anathema hatte ich aber jeweils das Gefühl, dass sie sich in ein Fangnetz aus ständig wiederholenden Synthi-Klängen hineinspielten, die sehr uninspiriert und auf Dauer enorm langweilig wurden. Ich weiss nicht wieso Anathema mittlerweile ihre frühen Sachen verleugnen. Aber wirklich mitgerissen hat mich dabei kein einziger Song, okay, abgesehen vom abschliessenden Pink Floyd-Cover „Keep Talking“, doch das zählt nicht.
Schon Minuten vor dem eigentlichen Haupt-Act, Nick Mason’s Saucerful Of Secrets, wurden die Wartenden aus dem Off von psychedelischen Geräuschen und Stimmenwirrwarr darauf eingestimmt, was bald folgen würde. Wer am heutigen Abend Billboard-Chartstürmer wie „The Dark Side Of The Moon“ oder „The Wall“ erwarten würde, hatte sich geschnitten. Denn Nick Mason wird mit seiner hochkarätigen Band anderes im Sinn haben. Die Reise wird von den frühen Anfängen von „The Piper At The Gates Of Dawn“ bis zu „Obscured By Clouds“ gehen. Soweit und nicht weiter. Zu jenen Songs und Alben, die nie die richtige Anerkennung bekamen die ihnen gebührte und zum Teil noch aus der Feder des verstorbenen Pink Floyd-Gründer und musikalischem Genius Syd Barrett stammen.
„The Piper At The Gates Of Dawn“ hat Barrett quasi im Alleingang geschrieben und ist das stille Meisterwerk in der Floyd-Diskographie. Haargenau da setzen Nick Mason’s Saucerful Of Secrets zu Beginn an und entfachen mit „Interstellar Overdrive“, „Astronomy Domine“ und „Lucifer Sam“ einen psychedelischen Einstieg, der vermutlich vielen Beteiligten im imposanten Römertheater Augusta Raurica entweder Freudentränen, Verwunderung oder ein grosses Fragezeichen auf die Gesichter zeichnete.
Nach diesem Feuerwerk eröffnete der sichtlich gerührte Nick Mason, der darüber den Faden seiner ersten Ansprache verlor, wie, um die Anwesenden für wenigsten ein paar Minuten wieder zu erden. Bei dem darauffolgenden „Fearless“ und dessen eingespieltem FC-Liverpool-Gesang „You’ll Never Walk Alone“ kam zu Teilen sogar etwaige Fussballstimmung auf. Mit „Obscured By Clouds“ und „When You’re In“ ging die Reise danach zur zeitlich jüngsten Destination, dem Jahr 1972, die an diesem Abend angepeilt werden sollte.
Mit „Arnold Layne“ folgte ein weiterer Piper-Kracher, woraufhin mit „Vegetable Man“ ein nur den Wenigsten bekannten Song ins Haus stand. Auf „If“ folgte ein „Atom Heart Mother“-Intermezzo, einem ebenso viel zu unterbewertetem Pink Floyd-Album.
Nebst „Obscured By Clouds“ stellten Nick Mason und seine Gefolgschaft das vorangegangene, erste Filmmusikalisches Pink Floyd-Werk „More“ vor, wobei sie mit „The Nile Song“ der Menge gehörig einheizte und mit „Green Is The Color“ aus selbigem Werk nochmals für etwas Entspannung sorgte. Das wirre und zugleich relaxte „Let There Be More Light“ führte abermals zu ekstatischen Bewegungen, wonach mit dem nach vorne rockende „Childhood’s End“ die unkontrollierbaren, körperlichen Zuckungen wieder in gradlinigere Bahnen gelenkt wurden.
„Set The Controls For The Heart Of The Sun“ gab sich hypnotisch wie auch majestätisch. „See Emily Play“ aus dem Album „Relics“ und das wirre „Bike“ zeigten die kindlich, spielerischen Phasen der Floyds auf. Allerallerspätesten zu „One Of These Days“ brach der Bann auch noch beim letzten Zuschauer, der sich bis dahin unter stoischer Kontrolle hatte. Schade nur, dass Nick Mason’s Saucerful Of Secrets verabschiedeten, um daraufhin mit dem Bandnamengebenden „A Saucerful Of Secrets“ und „Point Me At The Sky“ als Zugabe den endgültigen Schlussakt einläutete.
Nach dem übermässig starken und enorm spielfreudigen Auftritt von Nick Mason’s Saucerful Of Secrets war der in meinen Ohren eher schwache Anathema-Auftritt schon längst wieder verblasst. Nick Mason’s Saucerful Of Secrets zeigten auf, wieviel Impulsivität, Ideenreichtum und geballte Ladung Rock in den alten Songs noch immer schlummern. Die imposante Kulisse des Augusta Raurica und die kunterbunte Zuschauer-Mischung taten dabei ihr Übriges.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Interstellar Overdrive
2. Astronomy Domine
3. Lucifer Sam
4. Fearless
5. Obscured By Clouds
6. When You’re In
7. Remember A Day
8. Arnold Layne
9. Vegetable Man
10. If
11. Atom Heart Mother (If reprise)
12. The Nile Song
13. Green Is The Colour
14. Let There Be More Light
15. Childhood’s End
16. Set The Controls For The Heart Of The Sun
17. See Emily Play
18. Bike
19. One Of These Days
20. A Saucerful Of Secrets
21. Point Me At The Sky