12. Juli 2018
Auditorium Stravinski – Montreux
Bands: Nick Cave & The Bad Seeds / Anna von Hausswolff
Es war ein ganz besonderer Abend an diesem heissen Julitag – und eine perfekte Kombination am Montreux Jazz Festival: Mit den beiden Konzerten von Anna von Hausswolff und Nick Cave & The Bad Seeds hat das MJF einmal mehr goldrichtig gelegen.
„I’m Heavy / As A Stone“ dröhnte es auch alsbald durch das Auditorium Stravinski und inmitten der Scheinwerfer. Eigentlich unscheinbar klein, zeigte uns die schwedische Künstlerin Anna von Hausswolff ihre wahre Kraft. Wie ein Pulsar oder eine Supernova kurz vor der Explosion wurde alle Energie in Montreux eingesogen und in etwas mehr als einer Stunde ohne Gnade oder Zurückhaltung in veränderter Form wieder auf die Besucher losgelassen. Mit den Songs des Werkes „Dead Magic“ thronte sie mit ihrer Band bereits nach wenigen Minuten über allen anderen Auftritten, die das diesjährige Jazz Festival bisher erleben durfte und wurde ab „Ugly And Vengeful“ gar unstoppbar. Laut, schrill und unberechenbar – dieser Gothic-Weltuntergangs-Rock war so erhaben wie destruktiv.
Es bebte der ganze Saal, der eigene Körper wurde zu einem unwichtigen Spielball, grössere Mächte und einzelne Takte zu gewaltigen Armeen. Mit dem kolossalen Orgelspiel, den lärmigen Gitarren und dem wuchtigen Schlagzeug wurde diese experimentelle Musik zu einem göttlichen Erlebnis. Dass Anna von Hausswolff, ihre Schwester Maria und die restlichen Musiker auf der Bühne aber trotzdem noch zu uns allen gehören, dies zeigten sie immer wieder mit leisen und zebrechlichen Stellen – und dem berührenden, intimen Abschluss, bei dem die Frauen sogar durch das Auditorium und das Publikum gingen. Unvergesslich und einmalig war dieses Erlebnis, nicht nur für die Künstlerin selber.
Und wer hätte gedacht, Nick Cave & The Bad Seeds gleich zweimal innerhalb einiger Monate in der Schweiz erleben zu dürfen? Gemessen an der Zahl der Leute, die sich nach dem Set von Anna von Hausswolff nach vorne drängte, war die Freude darüber auf jeden Fall riesig. Dann wurde es auch schon wieder stockdunkel im Auditorium Stravinski. Mit „Jesus Alone“ und „Magneto“ vom aktuellen Album „The Skeleton Tree“ starteten Nick Cave & The Bad Seeds ihr Set – ein hochemotionaler Einstieg, der einem schier das Herz zerreissen konnte.
Anschliessend durfte man auch viele ältere Perlen geniessen, inklusive des perfekt an diesen Ort passenden „Higgs Boson Blues“ – was auch Warren Ellis selbst bestätigte und somit die Setlist gleich zu Beginn durcheinanderwirbelte. Selbst aus dem Publikum gerufene Wünsche wurden mit einem spontan eingeschobenen „Loverman“ von der Band erhört. Nick Cave zeigte sich wie immer sehr herzlich und nahbar, berührte Hände und suchte den direkten Kontakt. Überhaupt war das Konzert mit seinen Wechseln zwischen lauten, krachenden Songs und ruhigen, ganz intimen Momenten („Into My Arms“, „Distant Sky“) sehr emotional und berührte die Zuhörer wie auch Musiker sichtlich. Eine perfekte Balance aus bleierner Schwere, Zerbrechlichkeit und wilden Klangergüssen, die Körper und Verstand erbeben liessen – wie bei dem Donnerschlag „From Her To Eternity“ oder dem Sturm „Tupelo“.
Gegen Ende des Sets tauchte Nick Cave schliesslich ins Publikum ein, und das Publikum wurde wiederum auf die sich schnell füllende Bühne eingeladen. Was für ein Gefühl muss das sein! Und wenn das Konzert dann mit dem grossartigen „Rings Of Saturn“ beschlossen wurde, hätte man auf keine bessere Weise in die kühle Nacht entlassen werden können. Danke Montreux – für immer wieder unvergessliche Konzertabende, und ganz besonders für diesen einen.
Setlist Nick Cave & The Bad Seeds [Quelle: Setlist.fm]
1. Jesus Alone
2. Magneto
3. Higgs Boson Blues
4. From Her To Eternity
5. Loverman
6. Red Right Hand
7. The Ship Song
8. Shoot Me Down
9. Into My Arms
10. Girl in Amber
11. Distant Sky
12. Tupelo
13. Jubilee Street
14. The Weeping Song
15. Stagger Lee
16. Push The Sky Away
Zugabe
17. City Of Refuge
18. Rings Of Saturn