16. November 2018
Schüür – Luzern
Bands: Mudhoney / Please The Trees
Am Ende musste es dann doch sein, man warf sich zwischen die Besucher und tanzte den Pogo. Wie konnte man auch anders, denn mit jedem Song schlich sich die Lust an der Bewegung weiter in die Glieder, jedes krumme Riff stachelte die Füsse an. Mudhoney besuchten Luzern und zeigten, dass man die Wut und schlechte Laune über mehrere Jahrzehnte hochhalten kann – und dabei nie die Lust verliert. Denn die Recken aus Seattle stehen seit 1988 dafür ein, dass alternativer Rock mit viel Lärm und bissigen Kommentaren um die Welt getragen wird, aktuell mit dem neuen Album „Digital Garbage„.
Und gemäss dem Namen der Scheibe gab es in der Schüür dann vor allem verzerrte Gitarren, trockene Bassläufe und scheppernde Schlagzeugklänge zu vernehmen. Keine Zusätze, keine Spielereien, Mark Arm führte die Gruppe mit seiner unverkennbaren Stimme durch das Set. Rasch zeigte sich, dass Lieder wie „Kill Yourself Live“ oder „Nerve Attack“ nicht nur klanglich in die älteren Songs einreihen, sondern auch die gehässigen Aussagen perfekt zu den früheren Parolen passen. Mudhoney waren schon immer die Band in der Grunge-Szene, welcher man zu später Stunde besser nicht alleine begegnete.
Wobei vor allem die Verbrecher und Zerstörer der Gesellschaft ihre Schelte erhielten. Die Anwesenden zeigten im Saal, dass sie diese Meinung teilten und bejubelten jeden Ausbruch an Noise und Alternative Rock – bis man sich dann eben gegenseitig umherschubste. Da verlor man nicht nur Getränk und Gleichgewicht, sondern auch Jahre. Denn plötzlich fand man sich mit Mudhoney wieder in den Anfängen, bei „The Farther I Go“ oder „Suck You Dry“ – damals, als die Welt noch ohne ständige Vernetzung auskam. „Judgement, Rage, Retribution and Thyme“ wurde nicht nur gespielt, sondern zeigte sich schlussendlich als gutes Motto für den Abend.
Ein Konzert, das wild und schnell dargeboten wurde und immer sehr nahe am kaputten Punk-Rock vorbeischrammte. Gut so, denn Mudhoney wollen nicht filigran und zärtlich sein, sie wollen dir den zersprungenen Spiegel vorhalten und zeigen, dass hier weder Glanz noch Schein herrscht. Ganz anders als Please The Trees, welche das Vorprogramm bestritten. Die Gruppe aus Tschechien sorgte sich nicht nur um Pflanzen, sondern um vielseitige Melodien, gespielt von Gitarre und Synthesizer, verziert mit Schlagzeug und zweistimmigem Gesang. Psychedelischer Rock, der sich gerne instrumental durch die Schüür bewegte.
Somit war dies ein Abend, der einen zuerst in die ausgeklügelten Kompositionen lockte, nur um schlussendlich mit roher Direktheit die Schlinge zuzuziehen. Ein Grund zum Feiern auf jeden Fall, und zugleich auch eine Bestätigung, dass man mit der aktuellen Unzufriedenheit nicht alleine dasteht. Wer es verpasst hat, dem bietet „LiE“ Abhilfe.
Setlist
1. Into The Drink
2. I Like It Small
3. Hey Neanderfuck
4. You Got It
5. Nerve Attack
6. The Farther I Go
7. Judgement, Rage, Retribution And Thyme
8. No One Has
9. Kill Yourself Live
10. Touch Me I’m Sick
11. If I Think
12. Please Mr. Gunman
13. Suck You Dry
14. By Her Own Hand
15. Prosperity Gospel
16. F.D.K. (Fearless Doctor Killers)
17. Oh Yeah
18. I’m Now
19. Paranoid Core
20. One Bad Actor
21. The Only Son of the Widow From Nain
22. 21st Century Pharisees
Text: Michael Bohli