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Massive Attack + Air
Scène Du Lac – Montreux
Montag, 15. Juli 2024
Text: Nathalie Lobsiger / Bilder: Anna Wirz
Der Abend begann mit einem Sturm über Montreux, allerdings meteorologischer Natur – was dazu führte, dass der Auftakt des Abend mit Air aus Frankreich um eine Stunde verschoben wurde. Sobald die Bühne bereit war, starteten Air mit dem ruhigen und atmosphärischen „La Femme D’Argent“, alle drei ganz in weiss gekleidet. Der Klang war perfekt und clean, das Bühnenbild zusätzlich von einem weissen Konstrukt umrahmt und mit verschiedenen Lichtelementen ausgestattet. Es wurde ausgedehnt mit den Synthesizern gespielt, bis der Song einen beinahe psychedelischen Verlauf nahm.
„All I Need“, ihr Hit aus dem Jahr 1998, kam an diesem eher trüben und leicht regnerischen Montagabend wie ein warmer Sonnenstrahl daher; dieses Stück verkörpert den perfekten Sommerabend am Strand. Die Performance war sehr clean und kühl, was dem ganzen Auftritt einen Hauch von Avantgarde verlieh. „Venus“ wurde mit extrem verzerrter Stimme performed, die Bühne mit Rücklicht taghell erleuchtet, romantisch-verträumt und zuckersüss. Zum Ende des Sets wurde der Track „Don’t Be Light“ ab ihrem Album „10 000 Hz Legend“ aus dem Jahr 2001 gespielt und es kam Stimmung auf. Die Liveversion des Songs mutete sehr funky und psychedelisch an, mit Visuals von rot geschminkten Frauenlippen, mit Männerstimme unterlegt, optisch schon fast etwas Andy Warhol-mässig.
Nach einer umfangreichen Umbaupause ging es nun mit Massive Attack weiter. Die Introsequenz mit dem Song „In My Mind“, einem Cover von Dynoro und Gigi D’Agostino, und mit Visuals eines Films mit französischen Untertiteln, einer Filmsequenz von einem Affen, der einen Cursor mit seinem Mund steuert und einem massiven musikalischen Feuerwerk. „Risingson“ mit starkem Bass, bahnbrechenden Visuals und sehr gut abgemischt, katapultierte das Publikum sofort in die 90er Jahre und in die Trip Hop Ära zurück.
„Black Milk“ wurde von Elizabeth Fraser gesungen, die immer noch über diese charakteristische glasklare Sopranstimme verfügt. Es war sehr eindrücklich, wie viele Musiker:innen sich während dieses Auftritts auf der Bühne befanden, um diesen für Massive Attack so speziellen Sound zu kreieren. Der Track „Song To The Siren“, einem Tim Buckley-Cover, wurde wunderschön von Elizabeth Fraser interpretiert; die dazu gespielten Visuals standen dazu im Kontrast, mit Filmmaterial von Kriegsszenerien, unterirdischen Tunneln und zerbombten Städten.
Interessante Anekdote in diesem Zusammenhang: schon kurze Zeit nach Erscheinen von „Blue Lines“ nannte sich die Gruppe aufgrund des Goldkrieges in Massive um, da die Phrase „Massive Attack“ im Zuge der Kriegsberichterstattung für Flächenbombardements verwendet wurde. Da die neue Namensgebung für Verwirrung sorgte, nannte sich die Band ab dem Jahr 1994 wieder Massive Attack.
„Rockwrock“ vom 1977-Album der Band Ultravox (als der Bandname Ultravox! noch ein Ausrufezeichen enthielt) war das rockige Highlight des Sets von Massive Attack und heizte die Stimmung an der Scène Du Lac noch mehr auf – man kam sich für kurze Zeit vor wie an einem riesigen Punkkonzert. „Angel“, von Horace Andy mit seiner charakteristischen Stimme gesungen, die diesem Song die nötige Intensität verlieh, vermochte das Publikum in seinen Bann zu ziehen.
Die absoluten Höhepunkte des Konzerts waren die Songs „Unfinished Sympathy“ und „Teardrop“ – die beiden Sängerinnen Deborah Miller und Elizabeth Fraser vermochten live sehr zu überzeugen und die Songs mit viel Gefühl auszufüllen. Kurz vor dem letzten Song des Abends, „Group Four“, wurde ein kurzes Teilstück des Avicii-Songs „Levels“ angespielt. Ein musikalisch hochstehendes und äusserst abwechslungsreiches Set war damit viel zu schnell schon wieder vorbei – die Menge klatschte noch minutenlang weiter, obwohl Massive Attack die Bühne bereits verlassen hatten.