22.-23. Juni 2018
Diverse Orte – Luxemburg
Bands: Bombino / Mutiny On The Bounty / A Perfect Circle
In ferne oder nahe Länder zu reisen, um dort nicht nur die lokalen Eigenheiten, sondern auch gern gesehene Bands zu besuchen, das hat immer einen grossen Reiz. So ist es eine wunderbare Angelegenheit, wenn man unregelmässig seine sieben Sachen zusammenpacken und ein längeres Wochenende an einem neuen Ort verbringen kann. Diesen Juni fiel die Wahl auf den Auftritt der amerikanischen Art-Rock-Band A Perfect Circle in der grossräumig bekannten Rockhal in Esch-sur-Alzette, Luxemburg – natürlich erweitert um einige Tage für das Touristenprogramm.
Und besser hätte der Zeitpunkt nicht getroffen werden können, fand am Samstag im Herzogtum doch der Nationalfeiertag statt. Das hiess nicht nur Kachkéis auf unzähligen Broten und die schönsten Adel-Portraits in den Schaufenstern, sondern auch eine lange Nacht der Feste und Konzerte. Am Freitagabend begaben sich die multikulturellen Einwohner der Hauptstadt Luxemburg auf die Strassen und feierten einen erfundenen Geburtstag, das Lebensgefühl und das Zusammensein. Wer sich abseits des klassischen Programms umsah, der fand schnell tolle Perlen in dieser pittoresken Stadt. Wie das „De gudde Wëllen„-Open Air am Ufer der Alzette.
Denn hier wurde nicht nur alternativ und ohne Eintrittskosten die Nacht gefeiert, sondern auch für tolle Kulinarik und ein abwechslungsreiches Musikprogramm gesorgt. Dank den Plakaten, welche überall in der Stadt aufgehängt wurden, fanden wir den Weg in das Tal, um dort zwischen bunt beleuchteten Felsen, Tubakbutteken und lachenden Gesichtern den Tuareg-Meister Bombino zu treffen. Die Tour zu seinem aktuellen Album „Deran“ hatte ihn endlich auch in diesen Kleinstaat geführt und bot die gewünschte Wärme an diesem eher kühlen Sommerabend. Schnell legten sich die ersten Tänzerinnen und Tänzer ins Zeug und öffneten ihre Seele zu diesem World-Blues.
Dass es bei vielen Besuchern jedoch eher beim zurückhaltenden Staunen blieb, das tat dem Auftritt keinen Schaden. Bombino und seine Musiker legten ein laut pochendes Set hin, das immer wieder mit hypnotischen Stellen und tollen Melodien begeisterte. Es ist wirklich erstaunlich, wie perfekt seine Musik in alle Ecken unserer wunderbaren Welt passt. Stürmischer wurde es bei der nachfolgenden Gruppe, dafür mit Heimvorteil: Mutiny On The Bounty stammen aus Esch-sur-Alzette und liessen es sich nicht nehmen, ihren wilden Math Rock wieder einmal in der Hauptstadt zu spielen. Dieses Unterfangen stiess bereits beim Soundcheck auf grosse Begeisterung und schnell war die Wiese vor der Bühne gefüllt mit Leibern und Emotionen.
Wilde Taktwechsel, Gitarrenklänge und Sounds, die nicht selten an Bands wie 65daysofstatic oder Battles erinnerten und eine enorme Wucht – dieser abstrakte Rock traf vom ersten bis zum letzten Ton sicher ins Schwarze und lud die Nacht dazu ein, alle Konventionen zu überdenken. Immer wieder hart ausufernd in Richtung Post-Hardcore, dann leicht lockend mit dem Indie, nur um am Ende in einer lauten Kaskade alle Systeme durchzurütteln – so feiert man den Landesgeburtstag. Fragt sich nur noch, wer diesem Konzert am nächsten Morgen die Schuld für den Brummschädel in die Schuhe schieben wollte.
Diese Lügen wurden wohl bei den meisten durch die Militärparade am Samstag beiseitegeschoben; wir machten uns lieber auf den Weg in den Süden des Landes, zur Rockhal. Im ehemaligen Industriegebiet von Belval gelegen und mit einem eigenen Bahnhof ausgestattet (den auch die Universität benutzen darf), dürfen sich die Veranstalter brüsten, sich seit der Eröffnung 2005 unzählige grosse Namen geangelt zu haben. Dass Maynard James Keenan bei seiner Ansprache verlauten liess, mehr als gerne hier zu spielen, verwunderte nicht. Denn A Perfect Circle füllten die Halle nicht nur fast bis hinten mit Fans aus diversen Ländern, sondern spielten ein grossartiges Konzert. Mit dem Schwergewicht auf dem neuen Album „Eat The Elephant“ und einer betörenden Lichtshow wurde hier der Himmel des Alternative Rock beschworen.
Oder doch eher die Hölle? Den meist blieb es düster und bedrohlich, anders will man es von den Amerikanern aber auch gar nicht. Mit grossartigem Klang liess man sich in die Unterwelten von „The Hollow“, „TalkTalk“ oder „The Package“ ziehen, vergass die vielen Jahre des Wartens und wurde von dem satten Spiel der Musiker wie verzaubert. Ja, wirklich anders war dieser Auftritt im Vergleich zu dem in Zürich wohl nicht, aber wieso eine solch explosive Mischung ändern? Diese Supergruppe hat auch heute noch ein schräges Wörtchen mitzureden und zeigte dies in der Rockhal während des gesamten Auftrittes. Dass man bei der Heimfahrt im Zug einige glückselige Gesichter und am Tag danach in den Gassen von Luxemburg Shirts von Tool betrachten konnte, war kein Zufall. Bleibt nur die Frage, wohin die nächste Musikreise angetreten werden wird.
Text: Michael Bohli