6. Oktober 2018
Bogen F – Zürich
Bands: Low / Nadine Khouri
Man solle sich doch mal wieder etwas mehr bewegen, die Hüften kreisen und das Blut gut durchfliessen lassen. Nicht, dass man nach hinten kippt. So wendete sich Gitarrist und Sänger Alan Sparhawk in der Hälfte des Konzertes an die Besucher im Bogen F – was gar nicht so falsch war. Denn auch ich selber hatte bereits nach wenigen Minuten das Gefühl, jeglichen festen Untergrund zu verlieren. Low waren aus Amerika nach Zürich zurückgekehrt, um nach dem umjubelten Abend 2013 erneut den Viadukt zu verzaubern – was mehr als gut geklappt hat.
Das Trio versucht sich seit 1993 daran, die Musikwelt mit langsamen und minimalistischen Kompositionen zu betören. Slowcore nennt sich diese Untergruppe des alternativen Indie und lebt meist davon, dass einzelne Klänge und Ideen zur emotional grösstmöglichen Wirkung verwendet werden. In Zürich wurden so einzelne Bassnoten von Steve Garrington zu markerschütternden Ausbrüchen, das langsame Schlagzeugspiel von Mimi Parker zu einem unausweichlichen Tsunami. Mit schleppendem Tempo und dem zweistimmigen, wunderschön harmonischen Gesang konnte man sich der Wirkung von Low nicht lange erwehren und tauchte mit der Band tief in die Nacht ein.
Mit dem frischen Album „Double Negative“ am Start, legten sie einen Grossteil des Programms darauf aus, die neu gefundene Experimentierfreudigkeit in das Konzert einzubetten. „Poor Sucker“ und „Disarray“ legten die Grundsteine für die effektvollen Klangfarben, einzelne Akkorde wurden zu Zauberwesen, Melodien wandelten sich in Feedbackorgien um. Bis Low soweit waren, dass sie den ausverkauften Raum mit allen Anwesenden in eine zeitlose Schlaufe aus Rückkopplung, Lärm und Emotion beförderten. Glieder und Körper lösten sich vom Boden, die Augen verloren den Blick in der Unendlichkeit. Wie ein schwarzes Loch tat sich die Musik auf und verschlang alle psychischen und physischen Begebenheiten.
Benommen folgte man danach dem Treiben und spürte, wie sich das eigene Herz immer weiter öffnete und die Musik von Low aufnahm. Ob weit zurück bis hin zum ersten Album „I Could Live In Hope“ oder zum bekannten Meilenstein „Drums And Guns“ – der Bogen F wähnte sich in einer unwirklichen Wunderwelt. Reduzierte Musik, ausgereizt zum Maximum – emotionaler war es zwischen diesen alten Steinen selten, schöner auch nicht.
Nadine Khouri aus dem Libanon setzte auf die gleichen Wirkungen, liess allerdings ihre Gitarre leise und zart erklingen. Mit wenigen Effektgeräten verziert und leicht geloopt erzählte sie Melodien und Geschichten, die sich um Liebe und Nähe drehten. Die Füsse noch knapp im Blues, schritt sie mit jedem Song zwischen Singer-Songwriter und alternativem Rock umher. Ohne jemals ausfallend oder böse zu werden, immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht und den richtigen Tonfolgen. Ein emphatischer und angenehmer Start in diesen Abend voller Gefühle und Ausdruck.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Quorum
2. No Comprende
3. Plastic Cup
4. The Innocents
5. Tempest
6. Always Up
7. Do You Know How to Waltz?
8. Lazy
9. Always Trying to Work It Out
10. Poor Sucker
11. Rome (Always in the Dark)
12. Fly
13. Spanish Translation
14. Nothing but Heart
15. Holy Ghost
16. Lies
17. Dancing and Fire
18. Disarray
Zugabe
19. Murderer
Text: Michael Bohli