Eine kleine Serie gibt euch einen Einblick in Konzertfotografie
Im vierten Teil unserer Serie über Konzertfotografie verlieren wir ein paar Worte zur Bildgestaltung.
Teil 1: Regeln an Veranstaltungen
Teil 2: Das Fotoequipment
Teil 3: Best Of von ARTNOIR
Teil 4 – Die Bildgestaltung
Mit einer top Fotoausrüstung, die man im Griff hat und der Akkreditierung in der Tasche, steht einem guten Konzertfoto fast nichts mehr im Weg. Doch dies zu schiessen ist gar nicht so einfach. In der Fotografie nimmt die Bildgestaltung einen grossen Stellenwert ein. Wer ein Portrait macht, kann sich entscheiden, ob er die Person von vorne, von der Seite, von oben, von unten usw. ablichten will. Es lassen sich verschiedene Posen realisieren, das Licht wird arrangiert. Der Kreativität sind praktisch keine Grenzen gesetzt.
In der Konzertfotografie funktioniert dieses Vorgehen nicht. Die Fotografen sind im Graben, die Künstler auf der Bühne. Und diese posieren selten explizit für die Kamera. Die Herausforderung besteht also darin, aus dieser Situation das optimale herauszuholen. Idealerweise schiesst man ein Bild, dass sich von der Masse abhebt. Doch wenn noch fünf weitere Fotografen neben einem stehen ist die Chance gross, dass dasselbe Bild mehrmals gemacht wird. Gefragt sind also Flexibilität, schnelles Reaktionsvermögen und ein gutes Gespür, wie man aus der Situation das beste herausholt.
Weitere Herausforderungen auf dem Weg zum guten Foto ist das Material, was die Band auf der Bühne benötigt. Mikrofone und -ständer, Verstärker, Lampen, Keyboards am Bühnenrand etc. Vieles steht aus fotografischer Sicht sehr ungünstig. Ein Mikrofon verdeckt das Gesicht und wirft häufig Schatten. Bei Sänger*innen, die sich viel bewegen, erwischt man das Gesicht eher ohne Mikrofon. Bei denen, die statisch vor dem Mikrofon kleben, versucht man möglichst weit aussen von der Seite ein gutes Bild zu bekommen. Auch ob ein Musiker Links- oder Rechtshänder ist, sollte bei der Wahl des Standortes berücksichtigt werden. Ein weitere Herausforderung kann das Outfit sein. Ein Cap zum Beispiel, hüllt Teile des Gesichts in Schatten. Es gilt ebenfalls darauf zu achten, wie man das Motiv einfängt. Ein No-Go bei den meisten Fotografen ist das beschneiden des Gitarren- oder Basshalses. Dazu bedarf es eigentlich keiner grossen Erklärung. Ein Gitarrist mit einem abgeschnittenen Gitarrenhals sieht sehr unnatürlich aus.
Die Arbeit als Konzertfotografen wird uns manchmal von den Musiker*innen erschwert. Wenn nach drei Songs das Licht gut wird, die Caps nicht mehr getragen werden und alle Bandmitglieder auf der Bühne zum Leben erwachen, dann hat man es mit grosser Wahrscheinlichkeit mit einer kamerascheuen Gruppe zu tun. Das kann ärgerlich sein, ist man schliesslich mit dem Ziel angereist, tolle Fotos für sein Magazin abzulichten.
Gut in ein Bild einbinden kann man Lichtkegel, Nebel, Bühnenelemente, Hintergründe und ähnliches. Hier kommt es häufig darauf an, dass man richtig steht und ungefähr weiss, was passieren wird. Ich sehe mir zum Beispiel vor Konzerten häufig die Videos der ersten drei Lieder der Band von deren aktuellen Konzerten an. Youtube ist diesbezüglich eine grosse Fundgrube. Die meisten Handyvideos sind qualitativ zwar Grottenschlecht, hilft aber herauszufinden, wie sich die Musiker*innen auf der Bühne verhalten und bewegen. Kommt der Sänger von links oder rechts auf die Bühne? Benutzt er die ganze Bühnenbreite oder bleibt er statisch an seinem Platz stehen? Weitere hilfreiche Informationen: Wie sind die Lichttverhältnisse, ist mit einer Pyro-Show zu rechnen, dreht das Publikum ab dem ersten Song schon durch usw. Mit solchen Details wird die Chance grösser, am richtigen Ort zu stehen.
Wer Zeit hat und etwas genauer hinschaut, findet meistens Details und diverse Motive auf der Bühne, die sich ebenfalls gut zum fotografieren eignen. Sei es ein spezieller Kleber auf einer Gitarre, ein Maskottchen, spezielle Details an Kleidern und so weiter. Auch ein Foto von den Fans ist in jeder Galerie gern gesehen. Die Stimmung kann mit einem solchen Foto sehr gut eingefangen werden.
Ich stehe häufig dort, wo sich der Rest der Fotografen nicht aufhält. Dadurch bekommt man die Chance ein Foto zu schiessen, dass nicht jeder hat. Dafür braucht es manchmal etwas Geduld und auch Glück. Wenn der Gitarrist (wie im Februar am Five Finger Death Punch-Konzert geschehen) allen Fotografen X-Mal den Mittelfinger zeigt, schaut das zugegebenermassen cool aus. Aber wenn man das gleiche Bild in jedem Online-Magazin sieht, ist es dann immer noch cool? Einzigartig sicher nicht mehr. Mein Ziel ist es einerseits, immer unterschiedliche Bilder für eine abwechslungsreiche Galerie zu schiessen. Daneben bin ich immer auf der Suche nach einem speziellen Bild, quasi DEM BILD. Zum Beispiel ein Bild, dass nicht den Star sondern den Menschen dahinter zeigt. Mainstream kann man meiner Meinung nach schnell lernen. Das perfekte Bild zu schiessen dauert länger und braucht nebst Glück eine gute Portion Erfahrung. Ich persönlich bin immer noch auf der Jagd nach DEM BILD.
Text und Bilder: Berend Stettler