Datum: 4. April 2014
Ort: Gaswerk – Winterthur
Bands: Knorkator
Deutschlands meiste Band der Welt macht der Schweiz die Aufwartung. Die „Hymne“ vom neuen Album „We Want Mohr“ eröffnet den Reigen und erklärt mit ihrer emphatischen Rückung kurzerhand das Konzert für beendet: In standesgemäss farbenfroher Pracht erstrahlt die Boyband Knorkator!
Wenn Stumpen bei dem Gassenhauer „Ding Inne Schnauze“ zum ersten Mal sein episches Falsett erhebt, schwant die ganze Grösse des gerade angebrochenen Abends, während Alf Ator mit seinem Keyboard-Rollator-Tropf mit Klobürsten und Schirmchen einem grossen Käfer gleich über die Bühne kriecht.
Als der tollkühne Vokalist eine grüne Jacke aus dem Publikum ergattert, wird sie kurzerhand durch sein knappes Höschen gezogen, wo später auch noch eine Digicam und ein Schlüsselbund verschwinden werden. Auf das angebrachte „Schüchtern“ folgt eine vergnügliche Schuldzuweisung an Flo aus der ersten Reihe, der sich königlich amüsiert, dass er an allem Schuld ist, und „Mich Verfolgt Meine Eigene Scheisse“. Die Stimmung vor und auf der Bühne ist grossartig und gemeinsam wird die Empore des Gaswerkes mit einem kurzen und prägnanten „Pfui“ bedacht.
Der denkmalgleiche neue Song „Zoo“ macht Platz für den „Fortschritt“, dessen Wortkette mit Hilfe eines Flipcharts analog verdeutlicht wird. Nun ist die lautstarke Forderung nach Bauschaum in aller Munde. „Geld“ wiederum wird von funkelnden Discokugeln illustriert und so mäandert die Band zwischen neuem Liedgut und Klassikern durch den Abend.
Im Dämmerlicht des Stroboskops sieht man schemenhaft einen schwankenden Extrem-Rezipienten verzweifelt nach den letzten Tropfen seines umpogten Bieres schnappen. Wie Stumpen schon zu beginn klargestellt hatte: „Das Bier ist zum ölen alter Männer oder zum trinken da!“ Und „Alter Mann“ ist auch tatsächlich der nächste alte Schinken der ausgepackt wird. Nach dem „Refräng“ testet Stumpen ausgiebig die Reaktionsfähigkeit seiner Mitmusiker und seines Publikums mit allerlei für gute Laune sorgenden Spielchen. Dann werden LED-beleuchtete Gitarren für „Ich Hasse Musik“ und „L“ ausgepackt, dessen abschliessende Tonleiter bedeutungsschwer über 31 Stufen ins Nichts führt.
An „Konrad“, den armen daumenlosen Struwwelpeter-Protagonisten, der dem neuen Knorkator-Album das Motto verleiht, wird passend der Schmutzfink gereiht und einer nicht ausreichend applaudierenden, sitzenden (!) Dame im Auditorium gewidmet.
In der Ballade „Breaking The Law“ beweisen die gestandenen Musiker ihre Talente nicht zum ersten mal an diesem Abend; und trotz der absurden Texte, kann man sich bei den sauberen mehrstimmig gesungenen Passagen, so manchen Schauers nicht erwehren.
Während des „Werwurmes“ wird Stumpen zunächst vakuumiert und nagt sich nach dem ersten Refrain durch das Zellophan den Weg in die Freiheit zurück. Die breitschultrigen Synkopen des „Ultimativen Mannes“, die glühende Tiefe des „Weges Nach Unten“ und (nicht) zuletzt die ohrwerwurmende Hook von „Wir Werden“ runden den Abend zum knorkösen Ereignis von fulminanter ästhetischer Tragweite ab. „Konorkator; das war toll! Jawohl!“
Fussnote für Freiwillige:
Eindrucksvoll beweist das Quintett an diesem Abend erneut seine Fähigkeit mit absoluter Ernsthaftigkeit unernst zu sein. Damit legt es nicht nur in der eigenen, sondern vor allem auch in der Musik von anderen Bands eine befremdliche Mehrschichtigkeit offen. Wenn Ausdruck und Inhalt so drastisch divergieren und der Ausdruck trotzdem funktioniert, ist die ganze Bedeutung des Inhaltes in Frage gestellt, die doch bei solcher Musik von allen beteiligten stets als so wichtig wahrgenommen wird. Diese Infragestellung bewerkstelligt Knorkator zu Gunsten der Musik selbst, augenzwinkernd und sympathisch: Knorke!
Text: Dennis Bäsecke-Beltrametti