4. Juli 2019
Augusta Raurica – Augst
Band: King Crimson
Ein König lässt sich nicht unterwerfen, ein König geht seinen Weg. Und trotzdem hätten die chaotischen Wirrungen um den Brexit dem scharlachroten Mann fast das Genick gebrochen. Was eigentlich als Europatour zum 50. Geburtstag der Band angedacht war, das wurde im letzten Sommer fast für immer abgesagt. Nun aber die politischen Verzögerungen und für alle Musikfreaks in der Schweiz das grosse Aufatmen: King Crimson haben nach vielen Jahren endlich wieder das Land besucht – mit der siebenköpfigen Band, mit den wegweisenden Liedern des Progressive Rocks und den instrumentalen Höhenflügen. Welcome To The Court Of The Crimson King!
Ein Aufmarsch wie am Hof, so fühlte sich der Besuch im römischen Theater in Augusta Raurica auf jeden Fall an. Auf angenehm überhitzten Steinen nahmen die Besucher*innen Platz, fieberten nicht nur dank der brennenden Sonne dem Konzert entgegen und erwiesen sich als aufmerksames und begeisterungsfähiges Publikum. Wenn Robert Fripp mit King Crimson aufspielt, dann sollte dies auch sein. Denn dieser Prog-Rock hat bis heute nichts von seiner komplexen Andersheit verloren. Mit Suiten und Solostellen, mit lauten Dissonanzen und Gitarren, die sich wie Höllenbiestern anhörten. Dazu die Bassläufe von Tony Levin, blitzschnell und tiefbrummend.
„Epitaph“ und „Moonchild“ erhellten die Nacht und die feucht-verträumten Augen, immer wieder sorgten Sänger und Gitarrist Jakko Jakszyk, Saxophonist Mel Collins und Keyboarder Jeremy Stacey für emotionale Eruptionen, welche die sorgsamen Melodien und Harmonien der Songs offenbarten. Die Kompositionen von King Crimson waren in all ihrer Schwere immer ein virtuoses Zugeständnis für das Leben, und auch im ausverkauften Theater in Augst spürte man dies in allen drei Sets des Auftrittes. Da konnte ein „Indiscipline“ noch so nervös herumtapsen, ein „Easy Money“ frech herumstolzieren – zwischen Jazz, Freak-Rock und Einwebungen der Klassik traf man immer wieder auf Herzblut und Leidenschaft.
„Larks‘ Tongues in Aspic“ und „The ConstruKction of Light“, Verzicht gab es keinen – und am vorderen Bühnenrand die unaufhaltbare Maschine, das dreiköpfige Biest mit den sechs Armen. Pat Mastelotto, Gavin Harrison und Jeremy Stacey waren nicht nur die perkussive Grundlage von King Crimson, sie waren die klangliche Gottesfügung. Ergänzende Läufe, verzweigte Rhythmik, kleine Scharmützel von links nach rechts – auch am Tag nach diesem Spektakel ist es immer noch unfassbar, wie grossartig diese drei Schlagzeuger agiert haben. Eine Band mit weniger Trommeln auf der Bühne? Das ist seit diesem Moment unvorstellbar.
Ebenso schwierig zu erklären und begreifen war die Wucht, mit der sich King Crimson in Kopf und Herzen gespielt haben. Drei Stunden dauerte der Auftritt an und fand im fulminanten „Starless“ seinen Abschluss, der schwarze Löcher aufriss und das gefangene Licht in all seiner puren Helligkeit über Augst ergoss. „21st Century Schizoid Man“ als Muss und Zugabe, danach der frenetische Jubel und der Ritterschlag für alle Anwesenden. Selten darf man einem solch weisen und gütigen König beim Arbeiten zuschauen, niemals wird man dieses Treffen vergessen. Es war einen Abend Musikgeschichte pur, ohne angesetzten Staub und mit grösstmöglicher Leidenschaft – lang lebe King Crimson.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
Set 1
1. Fairy Dust of the Drumsons
2. Pictures of a City
3. Suitable Grounds for the Blues
4. Epitaph
5. Neurotica
6. Indiscipline
7. Islands
Set 2
8. Larks‘ Tongues in Aspic, Part One
9. Cirkus
10. One More Red Nightmare
11. Drumzilla
12. Moonchild
13. Cadenzas
14. The Court of the Crimson King
15. Larks‘ Tongues in Aspic, Part Two
Set 3
16. The ConstruKction of Light
17. Easy Money
18. Radical Action II
19. Larks‘ Tongues in Aspic V
20. Starless
21. 21st Century Schizoid Man
Text: Michael Bohli