Musical Theater – Basel
Donnerstag, 21. März 2024
Text & Bild: Torsten Sarfert
Im 57.sten Jahr ihres Bestehens geben sich Jethro Tull vergleichsweise modern und präsentierten hinter der Bühne eine Videoleinwand, die ihre Performance einrahmen und begleiten sollte. So umspielten während der Einlassphase zunächst wogende Wellen den Schriftzug der Band, die in Kürze im Basler Musicaltheater auftreten sollte. Schliesslich reckte sich aus den virtuellen Fluten noch ein martialischer Arm mit einer Querflöte, gemahnend an Neptun mit seinem Dreizack. Anlässlich des drohenden und heiss diskutierten Umbaus des altehrwürdigen Gebäudes in ein städtisches Hallenbad, entbehrte diese Szenerie nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik.
Dem ebenfalls grösstenteils altehrwürdigen Publikum war’s egal und sie begrüssten Mastermind, Bandgründer und gleichzeitig letztes verbleibendes Mitglied der Originalbesetzung, Ian Anderson und seine einigermassen frisch rekrutierten Folk-Söldner mit frenetischem Jubel. Während des Konzerts konnte man sodann drei wichtige Dinge lernen:
- Jedwede Bild- und Tonaufnahmen waren bis zum Zugabenteil verboten.
- Der ikonische Hit „Hotel California“ der Eagles wurde nachweislich vom 1969 veröffentlichten Jethro Tull Song „We Used To Know“ abgekupfert, den Ian Anderson geschrieben hatte.
- Letzterer musste gesanglich sicht- und hörbar um jeden Ton ringen und spielte deswegen seine charakteristische Querflöte in inflationärer Art und Weise.
Die ersten beiden Punkte waren erfreulich und interessant, der dritte jedoch für meine Begriffe – höflich ausgedrückt – eher unerfreulich. Aber auch dies schien der Begeisterung des Publikums in keinster Weise abträglich zu sein. Vermutlich fehlte mir für diese Gleichmut noch die nötige Altersmilde. An mangelnder persönlich-sentimentaler Begeisterung für die Band mit Faible für naturalistische, mythische und sozialkritische Themen, konnte es jedenfalls nicht liegen. Zuweilen muss ich fast ähnlich traurig in Richtung Bühne geschaut haben, wie das virtuelle Panoptikum der Bettler und Obdachlosen in Richtung Publikum, während es sich zu den Klängen von „Aqualung“ über die Videoleinwand schleppte. Auch dieser Song übrigens zu Lasten des Gesangs mit einem ausufernden Querflöten-Part aufgeblasen.
Eine sehr bedauerliche Tatsache, da die Spielfreude der Band, die launigen Ansagen von Ian Anderson und eine wohl kuratierte Setlist durchaus ein sentimentales „Living In The Past“ evozieren hätten können. Andersons Stimmakrobatik auf dem umstrittenen 1984er Album „Under Wraps“, hatte wohl einen höheren Tribut an des Sängers Kehlkopf gefordert, als sich Anderson und andere Beteiligte eingestehen möchten. Oder sollte dies gar für einen gewissen „Benefit“ ignoriert worden sein?
Wie auch immer, blieb so Johann Sebastian Bachs instrumentales und von Jethro Tull für Querflöte arrangiertes „Bourée In E-Minor“, das Highlight des Abends, während die legendäre Lokomotive im Zugabenteil gesanglich leider nur noch aus dem letzten Loch atmete. Da konnte auch keine „Aqualung“ mehr helfen. Aber immerhin durfte man dazu ausnahmsweise wieder filmen.