Datum: 22. November 2015
Ort: KiFF – Aarau
Band: IAMX
Plötzlich wird alles von hinten und den Seiten mit hellem Licht durchleuchtet, die Schatten verschwinden und geben Informationen preis. Doch man wehrt sich dagegen, man dreht den Kopf weg und hofft, dass bald wieder Dunkelheit, Farben und Blitzgewitter an die Stelle der Scheinwerfer treten. Denn mit dieser Beleuchtung merkt man, dass man immer noch im Konzertsaal steht, in seinem Leben und nicht irgendwo weit entfernt in einer düsteren Traumwelt.
Da hilft nur noch: Weiterhüpfen, mitsingen und im Klang eintauchen. IAMX greifen um dich herum, ziehen dich hinein, lassen nicht mehr los. Auch in Aarau war die Truppe um Chris Corner eine Wucht, noch immer schwingt der Kopf mit.
Die Band geistert seit 2004 durch die kleinen und mittelgrossen Clubs, fasziniert Menschen aus allen Altersklassen und belebt nicht nur den Dark Wave neu. Mit sechs Alben wurde der Kosmos um IAMX immer dichter und vielfältiger, Musik wurde mit Bilder und Konzepten ergänzt. Die intensivste Erfahrung ist und bleibt bei der Band aber immer noch das Konzert. Chris Corner beweist damit nicht nur kreatives Talent, sondern inszenatorischen Wahnsinn.
Vom ersten bis zum letzten Lied prasseln Strobolichter, rasend schnell geschnittene Filme und Synthhiebe auf die Zuschauer. Alle Musikerinnen und Musiker tragen schwarze Kleidung, sind im Gesicht und den Armen mit dunkler Farbe beschmiert und schmücken sich gelegentlich mit Federn oder Kronen. Ihre Instrumente verschwinden zwischen lichtleeren Flecken, extrem hellen Leinwänden und Nebelfetzen.
Zu jeden Song laufen die bewegten Bilder über die Flächen und untermalen die Musik mit grotesken Formen. All dies verstärkt die emotionale Wucht der Songs extrem, gerade weil Chris Corner gut gelaunt und scheinbar unermüdlich über die Bühne springt. Egal ob sich in seinen beiden Händen Mikrofone befinden, oder ein Weinglas, der Gesang ist kräftig und stimmungsvoll.
Als wenn dies nicht bereits zum Mitfeiern reichen würde, reissen die heftigen Beats und Melodien die Beine vom Boden und die Hände in die Luft. Lieder wie „Tear Garden“ oder „Oh Cruel Darkness Embrace Me“ geraten extrem emotional, man leidet und fühlt stark mit. Hier zeigt sich die Grösse von IAMX, dunkle Wave-Musik mit intimen Texten und Weltansichten zu kombinieren.
Es ist eine Gemeinschaft, ein Konzert ist ein freundschaftliches Treffen. Ohne gross etwas zu machen fühlt man sich verstanden, bestätigt und akzeptiert. Wenn dann noch Klassiker wie „Mercy“ ausgepackt werden, kennt man kein Halten mehr. Man taucht zwischen die Lichtexplosionen und versinkt im Saal, zwischen Körper, Metall und Blendung. Auch die Band dringt in diese wilde Mischung ein, praktisch nie werden die Leute auf der Bühne direkt beschienen. Dies trägt enorm zum Gesamtbild dazu, und lässt aus Liedern wie „After Every Party I Die“ noch grössere Kracher werden.
IAMX gelang ein grossartiger Auftritt, der nebst dem Gewicht auf das neuste Album „Metanoia“ eine wunderbare Rückschau auf 11 Jahren Bestand darstellte. „I want to know how to survive in the nightlife / The truth and dare of the drug for the first time / I click my heels and dance with the heat rise“. Gemeinsam, immer.
Setlist:
1. I Come With Knives
2. The Alternative
3. Happiness
4. Mercy
5. No Maker Made Me
6. Volatile Times
7. Tear Garden
8. O Cruel Darkness Embrace Me
9. Spit It Out
10. Nightlife
11. Surrender
12. After Every Party I Die
13. Aphrodisiac
14. Your Joy Is My Low
15. Bring Me Back A Dog
16. Kiss & Swallow
17. I Am Terrified
Text: Michael Bohli
Bilder: Anna Wirz