Human Rights Film Festival 2020
Mit dem Schauen von Filmen ist es nicht gemacht, Erlebtes muss umgesetzt werden. Um dies zu ermöglichen, bot das Team des Human Rights Film Festival in Zürich bei vielen Projektionen eine Diskussionsrunde mit Fachpersonen. Darin wurden nicht nur die Aspekte der Filme aufgegriffen, sondern deren Kontext vergrössert und die Position der Schweiz teilweise erläutert. Das half nicht nur, Gesehenes zu verarbeiten, sondern gewisse Informationen besser im Kopf zu verankern.
Ein wichtiger Punkt, wurde beim HRFF 2020 nicht nur dem Konsum gefrönt, sondern der Konfrontation und Herausforderung. Sicherlich hätten wir unseren Sonntag mit angenehmeren Stunden füllen können, sich aber von den Unbequemlichkeiten auf der Welt abzuwenden, darf nicht sein. Mit der sechsten Ausgabe des Festivals wurde der beste Beweis dazu erbracht.
Das komplette Programm ist hier zu finden.
Days Of Cannibalism
Land / Jahr: Frankreich, Südafrika, Niederlande / 2020
Regie: Teboho Edkins
Website: imdb.com
Meine liebste Art der Dokumentarfilme ist die offene Erzählweise. Teboho Edkins ist sehr geschickt im Umgang damit und verhilft seinem neuen Film „Days Of Cannibalism“ zu einer losen Form. Ohne Interviews oder Texteinblendungen wird man langsam in den Alltag von Lesotho eingeführt, lernt das dortige Leben kennen und erfährt, wie sich die Gesellschaft durch die Migranten aus China zu verändern begonnen hat. Ein Kampf zwischen Tradition und Globalisierung, zwischen Wirtschaft und Kultur.
Vieles bleibt beim Film offen, Fragen werden gestellt aber nicht zwingend beantwortet. Das ist keinesfalls ein negativer Punkt, regt die Produktion Diskussionen an und unterwandert durch die hybride Form aus Inszenierung und Dokumentation immer wieder die Realität. Ein sehr interessanter Einblick in eine eher unbekannte Weltregion, wenn in gewissen Teilen auch etwas einseitig in der Positionierung.
Lovemobil
Land / Jahr: Deutschland / 2019
Regie: Elke Margarete Lehrenkrauss
Musik: Dascha Dauenhauer
Website: lovemobil-film.com
Sex am Waldrand, gekauft in einem hingestellten Wohnmobil. Der neue Film von Elke Lehrenkrauss führt den Blick in eine sehr spezifische Örtlichkeit der Prostitution und begleitet nicht nur Zuhälterin Uschi, sondern die Sexarbeiterinnen Rita und Milena. Dabei gelingt es dem Film, die typischen Plattheiten und Fallen der Thematik zu umschiffen und alle Personen als reale Menschen darzustellen. Probleme, Hoffnungen und Erlebtes vermengt sich zu den aufgezeigten Lebensweisen und Entscheidungen, einfach ist nichts.
Trotz der Härte und stellenweisen Brutalität gelingt es dem Film, immer wieder lockere Situationen und amüsante Gespräche auf die Leinwand zu bringen. Etwas irritierend empfand ich allerdings die arrangierten Szenen mit den Freiern. Diese durchbrachen die ehrliche Emotionalität der sonstigen Momente für mein Empfinden etwas zu stark, was auch bei den Szenen im Nachtclub und Milenas Reise nach Berlin für einen Nachgeschmack sorgte. Menschlich und berührend ist dieser Einblick in das Sexgewerbe auf jeden Fall.
iHuman
Land / Jahr: Norwegen / 2019
Regie: Tonje Hessen Schei
Musik: Olav Øyehaug
Website: imdb.com
Sie wirken gleichzeitig verheissungsvoll und bedrohlich: Die Versprechen der Künstlichen Intelligenz. Auf der einen Seite kann sie das Leben der Menschen erleichtern; auf der anderen Seite wird sie schon heute missbraucht – nicht nur für Werbezwecke oder die Beeinflussung der öffentlichen Meinung, sondern auch für Massenüberwachung und Kriegsführung. Im Dokumentarfilm „iHUMAN“ fragt Tonje Hessen Schei verschiedene Experten nach den Konsequenzen einer nicht mehr zu stoppenden Revolution.
Leider gelingt es dem Film nicht, etwas wirklich Neues auf die Leinwand zu bringen. Wenn man sich ein wenig für technische Entwicklungen interessiert, hat man die meisten Statements schon früher gelesen, gehört oder gesehen. Dazwischen wird die Zeit mit völlig übertriebenen 3D-Visuals gefüllt, um ein Gefühl der Bedrohung zu wecken. So wirkt der Film einseitig und wenig investigativ. Die Themen, die hingegen wirklich langsam diskutiert werden müssten – der ethische und moralische Umgang mit einer Technologie, die sich nicht mehr aufhalten lässt – fallen komplett unter den Radar.