Atomic Café – Biel/Bienne
Samstag, 21. Mai 2022
Text: Michael Bohli
In der aktuellen Zeit ist es nicht einfach, die kleinen und schönen Momente des Lebens zu geniessen. Dass Zufälle und freudige Überraschungen täglich passieren, bewies nicht zuletzt der Samstagabend in Biel/Bienne. Das Garage-Punk-Trio Guitar Wolf aus Japan, dem Land der aufgehenden Sonne und der untergehenden Gehörgänge, bespielte das Atomic Café und servierte einen glühend heissen Abriss, der durch eine erstaunliche Kette von Ereignissen überhaupt besucht wurde.
Nichts ahnend gab sich die Ochsengasse-bekannte KCG (Kinematografische Chaos-Gesellschaft) am 6. März dem Genuss der japanischen Trash-Perle «Wild Zero» hin und goutierte nicht nur das famose Spiel der thailändischen Armee als grün bemalte Zombies, sondern die wilde und chaotische Band Guitar Wolf in den Hauptrollen. 1987 in Tokio gegründet, kämpfen sich die drei Musiker durch den Film, zelebrieren die Liebe und den Rock’n’Roll und waren als Band bereits mehrere Male in Europa. Rasch wurde der Plan gefasst, diese Punker an einem Auftritt zu besuchen, sollten sie jemals wieder in der Schweiz auftreten.
Und siehe da, wenige Tage später erblickten meine Augen auf Facebook die Meldung des Atomic Café, dass die Wölfe im Mai im kleinen, aber feinen Lokal auftreten werden. Was für eine Fügung! Nichts wie hin, ohne den Vorverkauf zu nutzen. Doch die Punk-Götter waren uns gnädig, wir erwischten vor Ort die fast letzten Tickets. Dass wir im Zug im Nebenabteil von Wellensittichen unterhalten wurde, war ein gutes Vorzeichen.
Oder, dass eine Viertelstunde vor Konzertbeginn ein Pikachu auf einem Motorrad (ja, Ganzkörperanzug, Helm mit Ohren und Pokémon-Rucksack) vor dem Lokal durchbrauste. Oder, dass leidenschaftlich über japanische Autos diskutiert wurde, mit Vorfreude auf das Treffen in Bleienbach.
Im Atomic Café dann das enge Zusammenstehen im kleinen Nebenraum, mit winziger Bühne in der Ecke und steigender Temperatur. Da waren sie, Guitar Wolf. Lederjacken, Sonnenbrillen, nackte Haut und die Instrumente im Anschlag. Zuerst wurde ein Bier geext, dann eine Stunde ohne Rücksicht auf Tonlagen, Abmischung und verständliche Gesänge mit dem Garage-Punk das Lokal abgerissen. Von «Sex Jaguar» zu «U.F.O.», mit an der Decke gehendem Bassisten, schockiertem Mischer und schwieriger Kommunikation.
Ansagen? Egal. Songtexte? Who cares. «What mountain in Switzerland?» Hä? Es galt nur eines: Wolfsgeheul und Rockn’n’Roll!! Nach fünf Minuten waren alle Anwesenden klatschnass, die Scheiben beschlagen und der Boden von Flüssigkeiten überschüttet. Pogo-Kreise, lauter Jubel und tropfende Gesichter – die Zugaben waren dann fast zu viel, man wünschte sich bloss noch eine Abkühlung. Bestenfalls ein Sprung in den Bielersee, mit allen Klamotten und einem Bier in der Hand.
Die Heimfahrt dann der krönende Abschluss, mit schelmischem Zugpersonal, das uns veräppelte. Rock’n’Roll-Herz, was willst du mehr? Aaaaauuuuhh!