Datum: 15.-17. Juni 2012
Ort: Interlaken (CH)
Webseite: Greenfield Festival
Bilder vom:
FREITAG 15. Juni 2012
SAMSTAG 16. Juni 2012
SONNTAG 17. Juni 2012
FREITAG
Endlich, das Greenfield 2012 Wochenende war da und mit ihm kam der Sommer zurück. Und das erste Mal seit Greenfield-Zeiten, fiel während den 3 Tagen kein einziger Tropfen Regen. Nass wurde man trotzdem alle paar Meter mal wieder, durch die unzähligen Wasserpistolen-Salven aus allen Richtungen. Doch das war gut so und angenehm. Und solange meine Kamera nichts davon abbekam, waren die fröhlichen Miniduschen ein kühler Tropfen auf überhitzte Haut.
Sowieso, meine erste Antwort auf die Frage, wie das Festival war lautet: heiss…! Definitiv und ohne Anführungszeichen. Bei gefühlten 40 Grad feierten die knapp 25‘000 Besucher eine tolle Punk- und Rock-Party, die friedlicher nicht hätte sein können.
Und weil es nicht nur Bier, Sonnencrème, „free hugs“ und Wasserpistolen sondern und hauptsächlich Musik gab, hier ein kurzes Feedback zu den von mir besuchten Konzerten.
The Beauty Of Gemina
Nachdem die Schweizer Band Delilahs eine Stunde zuvor bereits die Nebenbühne rocken durften, war nach 18 Uhr ein weiterer CH-Act am Start. The Beauty Of Gemina spielten bereits 2010 zum ersten Mal auf dem Greenfield. Damals zwar auf der grossen Bühne, dafür zu einer etwas ungünstigen Zeit, nämlich als Tages-opener um 12 Uhr. Deshalb war der Slot dieses Jahr besser und das Publikum zahlreicher und auf alle Fälle bereits wach.
Hatebreed
Auf der Hauptbühne folgte das totale Kontrastprogramm. Kompromisslos hart und schnell spielten Hatebreed Hardcore Metal, der die Gehörgänge einmal komplett durchspülte. Die Fans waren am ersten Tag noch fit und munter und so wurde anständig gepogt, wie es sich gehört.
Billy Talent
Was soll ich zu Billy Talent sagen. Alle Jahre wieder! Der Billy kennt wohl nach endlosen Jahren des Tourens jeden Flecken Kaugummi auf jeder Festival-Bühne in Europa. Und das mit nur drei Studioalben innert 10 Jahren. Das soll ihm mal einer nachmachen. Und noch immer sind die Fans in den ersten Reihen sehr jung und mit „I Love You“ Sprüchen auf allen erdenklichen Körperteilen bekritzelt. Billy, ein sicherer Wert, da ändert sich weder im Publikum, noch auf der Bühne was. 😉
Fear Factory
Weiteres Tages-Highlight dann mit Fear Factory aus den USA. Zum ersten Mal ging die Sonne unter über dem Greenfield Areal und die düstere Mischung aus Industrial und Metal schlug den Besucherköpfen um die Ohren. Ihr neues Album „The Industrialist“ im Gepäck (und von uns bereits hoch gelobt) und somit hochmotiviert, gaben Fear Factory Vollgas.
Beim kurzen Gespräch mit Sänger Burton C. Bell erfuhr ich, dass er von der Kulisse in Interlaken begeistert ist und ihm am Morgen, als er zum Fenster hinaus schaute, ein lautes „Wow“ über die Lippen kam. Stolz zeigte er dann auch gleich das Postkarten-Bild, das er mit seinem iPhone geschossen hatte. Auf die Frage, ob er noch immer davon überzeugt ist, dass Maschinen eines Tages die Weltmacht an sich reissen würde meint er sehr ausführlich (ich fasse zusammen), dass die Menschheit sich selber überflüssig macht, indem sie Maschinen baut. Er rezitiert aus der Theorie von Ray Kurzweil über Technologische Singularität. Spannend und mir kommt unweigerlich „Matrix“ in den Sinn. 🙂
Und wer glaubt, dass Metalheads ununterbrochen Metal und nichts anderes hören und sowieso immer böse drauf sind, der irrt sich gewaltig. Ein Blick in seine Musiksammlung verrät, dass Bell von den Beeges über Diana Ross alles hört, was es auf dem Musikmarkt zu finden gibt. Witzig und auf alle Fälle sympathisch.
Limp Bizkit
Der erste Headliner, Limp Bizkit, setzte auf kleine Effekte und fuhr ein eher bescheidenes Equipment auf. Wenn ich mich an Rammstein vor zwei Jahren zurück erinnere, da war die Bühne bis in den kleinsten Winkel vollgestopft. Doch Limp Bizkit drehen einfach auf und legen los. An ihren Riesenerfolg von „Significant Other“ aus 1999 konnten sie mit ihren neueren Alben zwar nie anschliessen, trotzdem gab es genug Hit-Material für eine eineinhalb Stunden lange Show.
Gitarrist Wes Borland war, nebst Fred Durst natürlich, der Hingucker überhaupt. Sein weiss gepinselter Oberkörper, die Korsage, Blut überströmte Hose und vor allem die Maske mit LED-Lämpchen, waren sehr skurril und wirkten bedrohlich. Ein Outfit, das bei Marilyn Manson nicht weiter aufgefallen wäre. Mit Manson war Borland übrigens 2008 unterwegs, kam dann allerdings wieder zu Limp Bizkit zurück.
Fazit für Limp Bizkit: auch wenn es nicht soo mein Ding ist, Stimmung macht es allemal und Rapper haben einfach einen komischen Gang.
SAMSTAG
The Bronx
Mein Tag beginnt gleich deftig mit der US Hardcore Punkband The Bronx. Seit einiger Zeit sieht man die Truppe vermehrt auf Abwegen, wenn sie als Mariachi El Bronx durch die Lande ziehen. Wäre ebenfalls ein tolles Konzert gewesen, aber Greenfield hat The Bronx bestellt und auch The Bronx bekommen.
Nach ihrem Gig erzählte mir Sänger Matt Caughthran, dass es endlich wieder ein neues Album von The Bronx geben wird. Nachdem das erste Mariachi-Album so gut beim Publikum ankam, folgte darauf ein zweites und die dazugehörige Tour. Dann war erst mal Pause angesagt, doch das neue Bronx-Album soll bald fertig sein. Entweder käme es diesen September noch oder sonst sicherlich Anfang 2013 heraus, erzählt Matt.
Und noch etwas für die Rubrik Klatsch und Tratsch: die erste Platte, die Matt als Kind hörte, war „Powerslave“ von Iron Maiden. Und das alles nur, weil seine Schwester in einer Metal-Band spielte und all diese Platten gesammelt hatte. Heavy Metal..!
Skindred
Wenn die Sonne nicht bereits so grell gestrahlt hätte, dann hätte Benji Webbe das für sie übernommen. Der schrille und quirlige Sänger von Skindred kam im goldigen Anzug auf die Bühne und wirbelte herum, als gäbe es kein Morgen. Die Mischung aus Metal und Hip-Hop war zwar schräg, aber gekracht hat es alle mal. Und vor allem die Stimme von Benji hat mich überzeugt, hammerstark.
Sepultura
Im Anschluss an die unterhaltsamen Skindred folgte purer Death Metal. Sepultura, vielleicht für das Punk-Rock-lastige Publikum etwas zu hart, musste erst mal verdaut werden können. Der Sänger Derrick Leon Green ist auf alle Fälle eine imposante Figur und fällt auf. Trotzdem ist der Funke nicht wirklich rüber gesprungen, Schade eigentlich.
H-Blockx
Und nach einer längeren Pause nun wieder auf der Bühne anzutreffen, H-Blockx aus Deutschland. Auch sie haben vor kurzem erst eine neue Scheibe produziert und wollen damit nochmals einmal um die Welt. „HBLX“ heisst das gute Ding und weil mir das so gut gefallen hat, wollte ich mir die Show natürlich nicht entgehen lassen.
Etwas väterlich sieht er mittlerweile ja schon aus, der Henning Wehland, da täuschen auch das Kopftuch und die Baggy Pants nicht darüber hinweg. Die Spielfreude und Spass an der Sache sind allerdings geblieben und das kommt auch an.
Gitarrist Tim „Tinte“ Humpe erzählt mir später noch, dass ihr neues Album in nur 3 Wochen fertig gestellt wurde. Im Gegensatz zum letzten Album, an dem sie fast zwei Jahre gefeilt hatten. Das erstaunt mich zwar, doch das nenn ich mal effizient. Und die Weisen Worte aus Tintes Mund lauten: „cremt euch ein, wenn ihr auf dem Greenfield seid.“
In Flames
Zweiter Abend und es wird nochmals düster mit In Flames, die zwar nicht in Flammen auf der Bühne stehen, dafür im dichten Nebel. Licht gab es auch nicht viel dazu, wieso denn… muss ja nur gut tönen, gesehen zu werden ist Nebensache. Und gekracht hat es ganz ordentlich, das stimmt. Tadelloser Sound, das letzte Album „Sounds of a Playground Fading“ ist definitiv eine Empfehlung.
The Offspring
Headliner Nummer Zwei, The Offspring. Wieso auch immer. Zwar gibt es die U.S. Punker bereits seit den 80er Jahren, doch Erfolg hatten sie vor allem 1998 mit ihrem Hit „Pretty Fly (For A White Guy)“. Und das klebt an ihnen wie Hartz, den man nicht mehr weg bekommt. Ich persönlich fand den Song schon damals nervig und Teenie-Songs aus älteren Herren Munde, na ja, Geschmackssache.
Und weil sie dazu auch noch kamerascheu zu sein scheinen, gibt es von mir hier nur ein Bildchen dazu.
SONNTAG
Nach drei Tagen Festival-Essen weiss man garantiert, welcher Pizza-Stand den Namen Pizza auch verdient hat und wer nicht. Und sorry Mario, but you lose… 🙂 Crèpes sind eine sichere Sache und zum Glück gibt es den Chinesen für etwas „Gesundes“ zwischendurch.
Und an dieser Stelle mal einen herzlichen Gruss an die anderen Medienleute und vor allem hardcore Knipser, die es ebenfalls drei Tage lang im Graben und auf dem Asphalt ausgehalten haben und erst noch Spass dabei hatten. An die Warmduscher-Journis, die immer den gleichen Vorurteilen nachjagen und ob all den Tätowierungen und Haarfarben (nein, grün kommt in der menschlichen Natur nicht vor) schockiert sind, lasst es doch einfach mal sein und entspannt euch. Alles ist gut. 🙂
The Hives
Was soll man zu The Hives gross erzählen. Wer die Schweden auf Speed (rein rhetorisch natürlich) schon einmal live erlebt hat, der weiss von was ich spreche. Gitarrist Nicholaus Arson saust wie von der Tarantel gestochen und mit irren Grimassen im Gesicht über die Bühne, während Sänger „Howlin’ Pelle Almqvist“ eine Predigt nach der anderem vom Stapel lässt. Und ja, sie sind die Beste Band der Welt, das glauben wir euch nach dem 10-mal ansagen sowieso. Auf alle Fälle für den Moment. 🙂
So eine Performance sieht man nicht alle Tage. Almqvist ist die geborene Rampensau und macht auch im Frack eine gute Figur. Witzig, rockig und keine Minute langweilig.
Rise Against
Das totale Kontrastprogramm folgte darauf mit Rise Against. Der eher schüchtern und zurückhaltend wirkende Sänger Tim McIlrath ist das pure Gegenteil von Almqvist. Trotzdem sehr sympathisch und vor allem ist ihr Sound ehrlich, mir hat es gefallen.
Lebhaft war es nicht minder. Denn Bassist Joe Principe und Gitarrist Zach Blair vollführten Luftsprünge, als hätten sie Federn unter die Schuhsohlen geklebt. Da kriegt man glatt Lust mit durch die Luft zu springen.
Und nochmals ein kleiner Beitrag zu Klatsch und Tratsch: ja, Sänger McIlrath hat tatsächlich zwei verschiedene Augenfarben. Rechts braun und links grün.
Enter Shikari
Am Nachmittag vor ihrem Gig durfte ich kurz den Sänger Rou von Enter Shikari auf ein Gespräch treffen. Und trotz ihres aktuellen Erfolgs und Lobhudeleien von allen Seiten, ist die Band bodenständig geblieben und kümmert sich um ihre Fans. Auf die Frage hin, was er dazu sagt meint Rou, dass sie in einer Szene aufgewachsen sind, die grossen Wert auf Anstand und Ehrlichkeit legt. Das ist tief in ihnen verankert und alles andere wäre für sie gar nicht denkbar. (aktuelles Album: A Flash Flood Of Colour)
Die weisen Worte von Rou für euch alle: „Nehmt nicht einfach alles an, was euch vorgegeben wird, sondern seid immer kritisch und hinterfragt alles. Kämpft gegen das an, was offensichtlich falsch läuft in der Welt und nehmt es nicht einfach als gegeben hin.“
Genauso direkt und ehrlich war dann auch ihr Live-Aufritt. Und zu Recht kann man sagen, dass sie den Kerrang Award für die beste live band, verdient haben. Absolut energiegeladen und mitten ins Publikum rein (wortwörtlich). Enter Shikari haben das Punker-Herz an der richtigen Stelle.
die ärzte
Tja und schon war es halb Neun Uhr Sonntagabend und der letzte Hauptact des Greenfield 2012 stand auf dem Programm. Die Wahrhaft Beste Band der Welt machte den Abschluss. Nach der super Show am vergangenen Montag im Hallenstadion, konnte es eigentlich nicht mehr besser werden. Und war es auch nicht. Viele Besucher schienen bereits der Hitze erlegen zu sein und hatten vorzeitig den Heimweg angetreten. Denn so wenige Leute vor der Hauptbühne am letzten Tag, das habe ich beim Greenfield noch nie erlebt.
Trotzdem gaben die ärzte alles und es wurde nicht nur geredet, sondern für einmal mehr gespielt. Die ärzte, ein krönender Abschluss eines fürwahr heissen Festivals. Gerne nächstes Jahr wieder!
Text + Bilder: Nicole Imhof