13. April 2019
Katalog Record Warehouse – Zürich
Band: Grandjean
Aus allen Nähten platzt das Katalog Record Warehouse an diesem Samstagnachmittag, eine Lücke findet sich gerade noch zwischen Jazz und Raritäten. Die Geschichten der unzähligen Schallplatten atmen im hohen Gewölbe des lichtdurchfluteten Raums und liefern eine angemessene Kulisse für die Band, die heute zu Ehren des Record Store Day aufspielt: Grandjean. Namensgeber Dominique Grandjean, seinerzeit Mitglied der Zürcher Kultbands Taxi und HERTZ, wird begleitet von seiner Tochter Renée am Bass, Sascha Greuter an der Gitarre und Michael Boxer am Schlagzeug. „Ich bin ganz aufgeregt“, sagt Sänger und Tastenmann Grandjean freudig und etwas atemlos nach dem ersten Song und kündigt den nächsten an: Eine Liebeserklärung an eine afrikanische Prinzessin. Spätestens beim Hit „Campari Soda“ ist die Nervosität verflogen und die Band zeichnet zart die verlorene, nachdenkliche Atmosphäre über dem Nebelmeer, die später oft kopiert und für Werbeclips verwendet wurde. Zart sind aber die wenigsten der teils neuen, teils alten Songs: Subversive Punk-Elemente und kauzige Gedichtinterpretationen ersticken jede poppige Langeweile im Keim.
Das muss machbar sein, hat sich der erfahrene Gitarrist Greuter gesagt, als die Band ihn vor zwei, drei Jahren anfragte. „Da habe ich mich mächtig verschätzt- Viervierteltakte werden unverhofft von Drei- oder Zweivierteltakten abgelöst. Schwieriges schwierig klingen zu lassen ist einfach – aber dass Schwieriges einfach klingt, ist eine echte Herausforderung“, sagt Greuter lachend. Tatsächlich, die Kompositionen haben einen unverwechselbaren Charme, nicht zuletzt dank des gnadenlosen Schweizer Akzents der deutschen Texte.
Das findet auch das Publikum, lauscht gebannt und applaudiert erfreut, wenn es die Band zulässt und nicht zwei Songs mit einem kühnen Wechsel verbindet. Viele der mit mir zwischen Plattengestellen eingeklemmten Zuschauer sind deutlich älter und bestätigen mir einmal mehr, dass graue Haare nicht zwingend zu Mozart und Kammermusik verdammen. Nur eines irritiert mich: Niemand trinkt Bier, habe ich die Bar übersehen? Oder womit haben sich die Damen und Herren wohl damals die Nächte der 70er und 80er-Jahren um die Ohren geschlagen?
Text: Nicole Müller