10. Januar 2020
Ebrietas – Zürich
Bands: Gezora / VCDT / Midnight Deadbeats / Pyrolyzed
Manchmal macht es einfach Spass, an Konzerte von Bands zu gehen, von denen ich noch nie gehört habe. Die Beschreibungen der vier Gruppen, die heute im gemütlich lauten Ebrietas in Zürich aufspielen sollten, stimmten mich sogleich genügend interessiert, um mir das mal anzusehen. Viel Stoner, viel Punk, etwas Metal und zum Abschluss italienischen Hardcore, was will man mehr?
Los ging es mit den drei sympathischen Jungs von Pyrolyzed aus Zürich. Diese legten ohne grosse Umschweife mit energiegeladenem Alternative Rock und einer gehörigen Portion Punk-Attitüde los. Die Songs waren zu Beginn schnell und kurz, voll auf die Zwölf. Die Punk-Einflüsse wurden hier offen ausgelegt. Doch dann wurden die Stücke im Verlauf des Auftritts stetig länger und ausgefeilter. Harte Nackenbrecher Riffs, die zu Vollgas Headbangen einluden, wechselten sich mit dröhnenden, monotonen Stoner Parts ab, das machte richtig Spass. Sänger und Gitarrist Elio Monn wirkte zwischen den Songs manchmal etwas schüchtern, was der Band noch mehr Sympathie-Punkte einbrachte, doch sobald das nächste Riff startete, vermochte er gekonnt, den Stücken die nötige Portion Wut, Schmerz und Leidenschaft zu vermitteln.
Drummer Mathias Bauman drosch derweil wie ein Wahnsinniger auf die Felle ein und Bassist Leo Künzle rockte ohne Rücksicht auf Verluste auf der kleinen Bühne ab. Diese Energie und Spielfreude wussten auch die ca. 30 Leute im Publikum zu goutieren und auch wenn es nicht viel Bewegung gab, so wurde doch ordentlich gejubelt, geklatscht und vor allem gebanged. Richtig geile Band, was für ein unerwartet starker Opener. Ich würde Pyrolyzed auf jeden Fall jederzeit wieder live sehen, denn ihr Auftritt machte sofort Bock auf mehr.
Als nächstes waren die drei Fuzz Rocker der Midnight Deadbeats aus Basel an der Reihe. Auch hier ging es mit Vollgas los, der Fokus lag dabei nun aber mehr auf harten Blues und Rock’n’Roll Riffs und Melodien als auf komplizierten Songstrukturen. Musikalisch sind die drei Jungs auf sehr hohem Niveau, Bassist Harald Binder im Speziellen überzeugte mit seinen wahnwitzigen Läufen und Licks auf den vier Saiten, zu denen er hart abrockte. Schlagzeuger Jukka Altermatt schlug auf sein Kit ein wie ein Besessener und während Sänger und Gitarrist Mono Mojo nicht ganz jeden Ton traf, so machten seine fetten Riffs und vor allem die richtig geilen Gitarrensolos dies mehr als wieder wett. Die Midnight Deadbeats gingen absolut ab, verspielt, schnell, laut, hart und voller Rock’n’Roll.
Vor dem letzten Lied musste dann Schlagzeuger Jukka auf einmal noch seine HiHat reparieren, was Harald zugleich zum Anlass nahm, sich bei uns für den tollen Gig zu bedanken. Als Jukka immer noch nicht fertig war, folgten natürlich einige Stiche gegen den Schlagzeuger, da dem Herrn Bassist nichts mehr zu sagen einfiel, erst recht, als sich rausstellte, dass auch das Fell der Snare-Drum kaputt war. Das letzte Lied, laut der Setlist simpel „Rock’n’Roll“ betitelt, beschenkte uns dann nochmals mit wundervollen Riffs und wahnwitzigen Solos und brachte so dieses tolle Konzert bereits zum Ende. Midnight Deadbeats machen alles richtig, ihr Sound ist modern aber voller Einflüsse aus den 70er und 80er-Jahren, die Jungs sympathisch und auch hier habe ich das Gefühl, dass ich nicht zum letzten Mal mit dabei gewesen war.
Der Ebrietas-Keller fühlte sich angenehm gefüllt an, der Sound war unfassbar laut aber erstaunlich gut und die Atmosphäre hier war bestens. Es ist beruhigend zu wissen, dass es solche Lokale in der Schweiz noch gibt, wo leidenschaftliche harte Live-Musik noch amtlich mit dem einen oder anderen Bier gefeiert werden kann und auch unbekannte Bands eine coole Möglichkeit haben, vor einem Publikum aufzutreten. Man wünschte sich zwar, dass mehr als nur 30 oder so Leute einen Freitagabend an so einem Konzert verbringen würden, aber man kann ja nicht alles haben.
Weiter ging es mit den jungen Herren von VCDT. Die vier Jungs aus Zürich warteten mit einer interessanten Mischung aus Stoner, Punk und Grunge auf. Die Nirvana-Einflüsse waren offensichtlich. Das ging von Anfang an gut ab, auch wenn die Band bald schon von etwas technischen Problemen geplagt war, denn bereits nach dem ersten Stück wollte etwas am Drumkit nicht mehr so ganz funktionieren. Die daraus resultierende kurze Pause war zwar schade, aber sowas kommt vor. Es zeigte sich noch etwas die Unerfahrenheit der Jungs, denn hier hätte man gut die Chance nutzen können, um eine Begrüssung zu machen und dem Publikum etwas zu sagen. Nicht weiter schlimm, denn es folgten sehr coole Songs mit fetten Riffs, interessantem Gesang und völlig abgedrehten Drum-Parts. Sehr cool, was VCDT hier machten, die Lieder waren abwechslungsreich und musikalisch auf gutem Niveau.
Wo meiner Meinung nach noch etwas Verbesserungsbedarf herrschte, wäre zwischen den Songs, denn es ist nicht wirklich nötig, nach jedem Lied die Gitarren zu stimmen. Dies tut dem Fluss der Show nicht wirklich gut, immer eine 30-Sekunden Pause, in der nichts passiert. Dadurch entstand auch ein etwas unkoordinierter und stellenweise auch abgehobener Eindruck. Im Grossen und Ganzen aber tat das dem Auftritt auch keinen grossen Abbruch, denn sobald die Jungs wieder loslegten, überzeugte ihre Musik sehr gut. So gab es dann auch hier ordentlich Applaus und viele Köpfe, die brav Geschüttelt wurden. Und auch wenn VCDT mich noch nicht komplett auf ganzer Linie überzeugen konnten, so gab es gleichwohl mehr als genügend Gutes, so dass ich auch hier bei einem nächsten Mal gerne wieder mit im Publikum sein werde.
Ja und dann war es dann bald schon Zeit für die guten Herren von Gezora aus Mailand, Italien. Mit dem Sänger nicht einmal auf, sondern von Beginn an vor der Bühne bei den Leuten, ging das hier unheimlich brutal zur Sache. Fetter, schneller Hardcore ohne Wenn und Aber. Die Band wirkte augenblicklich sehr sympathisch, der Sänger begrüsste uns freudig und freute sich sehr darüber, dass wir alle da waren. Desweilen waren der Gitarrist und der Bassist mehrheitlich dem Schlagzeuger zugewandt, welcher in einem unglaublichen Tempo seine Beats abfeuerte, ohne dabei jemals eine Miene zu verziehen. Aber es war auf jeden Fall der Sänger (leider konnte ich nirgendwo die Namen der Vier rausfinden), der die Leute im Ebrietas anheizte und auch endlich in Bewegung brachte. So war es spätestens bei einem Cover von Minor Threat, bei dem sogar ein kleiner Moshpit in der ersten Reihe ausbrach.
Zur energiegeladenen Musik von Gezora konnte man auch wirklich schlecht stillstehen. Der Sound war wahnsinnig heavy, und wenn nicht blitzschnelle Hardcore-Banger gespielt wurden, dann bliesen uns die Mailänder mit tonnenschweren Sludge und Crust Parts die Köpfe weg. Wirklich fett. Leider musste ich nach ca. einer halben Stunde dann schon gehen, um noch den letzten Zug zu erwischen, was sehr schade war. Gezora sind eine richtig geile Band, der Sänger unglaublich energiegeladen und sympathisch, der Hardcore/Sludge-Mix funktioniert gnadenlos und ich hoffe schwer, dass uns diese Band bald wieder einmal beehren wird.
Ja, und damit war ein Abend voller harter, fetter und durch und durch geiler Live-Musik auch wieder vorbei. Vier hervorragende Bands, die einmal mehr beweisen, dass die beste Musik nicht zwingend auf den riesigen Bühnen und Stadien dieses Landes gespielt wird, sondern nach wie vor in den kleinen Kellern und Löchern von Bars und Clubs wie dem Ebrietas, wo handgemachter, ehrlicher Rock’n’Roll in all seinen Formen noch zelebriert werden kann. Immer wieder gerne.
Setlist [Quelle: Band]
1. Hero
2. War On Faith
3. Rejection
4. Not For Me
5. Minor Threat Cover
6. Safety Trips
7. New Day In Life
8. Falling Down
9. Our Black Marks
10. Inizio Batteria
11. Inizio Feio
Text: David Spring