Magazin: Filmbulletin – Zeitschrift für Film und Kino
Herausgeber: Stiftung Filmbulletin, Zürich
Website: filmbulletin.ch
In Zeiten, in denen Filme nicht mehr gesehen, sondern konsumiert werden, zeichnet sich schnell ein falsches Bild der Filmindustrie ab. Das ist nicht nur ein Fehler von bekannten Streamingdiensten und geldgeilen Studiobossen, sondern oft die fehlende Bereitschaft der Kinogänger, sich selbst herauszufordern und Wagnisse einzugehen. Mehr als wohltuend ist es in diesen Momenten zu wissen, dass noch nicht alle den Kampf aufgegeben haben. Das Magazin Filmbulletin steht seit 60 Jahren dafür ein, die Horizonte zu erweitern, die Leinwände bunter zu gestalten, die Vielfalt zu beleben. Mit kritischen und tiefgründigen Texten, ausführlichen Essays, frechen Details und einem unerschöpflichen Wissen.
1959 als Mitteilungsblatt des Zürcher Filmkreises gegründet, hat die Zeitschrift, welche heute acht Mal im Jahr von der Stiftung Filmbulletin herausgegeben wird, alle Schwierigkeiten und Probleme überwinden können. Das ist mehr als beachtlich, denn wer kauft sich heute noch Druckprodukte um das aktuelle Kinoprogramm zu studieren? Genügend Interessierte, um das Filmbulletin weiterhin am Leben zu halten. Da hat sich die Jubiläumsausgabe den goldenen Schriftzug mehr als verdient, auch wenn dies schon fast die einzige Sonderheit an dieser Jubiläumsausgabe darstellt.
Aber die Redaktion des Filmbulletins will sich nicht selber feiern, sondern auch mit diesem Heft zeigen, dass die wahre Liebe weiterhin den kreativen Köpfen hinter den Filmen gehört. Mit dem thematischen Schwerpunkt des Vorspannes kehrt man geschickt zu den Anfängen zurück – und hat es erneut geschafft, einen isolierten Bestandteil des Filmes zum faszinierenden Subjekt umzuformen. Und genau darum geht es bei der Lektüre dieser Publikation – um die neue Sicht, um die Erleuchtung. Denn reine Setberichte und Lobeshymnen, die dürfen andere schreiben, hier ist es die Wissenschaft, die Faszination, die Mechanik.
Klar, aktuelle Kritiken und Interviews fehlen nie, ebenso nicht die Tipps bezüglich Bücher und DVDs. Aber auch hier setzt das Filmbulletin auf eine Auswahl der Indie- und Arthouse-Produktionen, welche zu oft unter dem lauten Getöse der Blockbuster untergehen. Dabei beweisen gerade Streifen wie „The Favourite“ (Giorgos Lanthimos, 2018) oder „Rafiki“ (Wanuri Kahiu, 2018), wie fesselnd und lehrreich das Kino weiterhin sein kann. Fordernd, offen und anprangernd – auf verrückte wie auch klassische Weise. Davon erzählt dir der neuste Popcornvernichter mit Superheldenkostüm nichts.
Umso besser also, wird in diesem Jubiläumsjahr eine Buchpublikation erscheinen, welche die Schweizer Kinokritik genauer beleuchtet und die wirkliche Kunst hinter dem geschriebenen Wort ehrt. Ebenso werden alle Ausgaben von Filmbulletin rückwirkend digitalisiert, in Zusammenarbeit mit der ETH-Bibliothek. Somit können sich frische Leser dieser vorzüglichen Zeitschrift freuen, tief in die Archive eintauchen zu können. Und wem das geschrieben Wort doch manchmal etwas zu viel wird, dem bietet die Redaktion auf ihrer Homepage renommierte Videoessays.
Das einzige Problem, welches sich am Ende aber offenbart: Wie will man all die Konzert- und Kinobesuche bloss unter einen Hut kriegen? Denn das Filmbulletin macht einem auf so viele Filme Lust, dass die Gänge in das Lichtspiel zu einem neuen Fixpunkt werden. Danke dafür, und auf weitere bildrauschende und klingende Jahrzehnte.
Text: Michael Bohli