Fantoche – Internationales Festival für Animationsfilm
Diverse Orte – Baden
Sonntag, 11. September 2022
Text: Michael Bohli
Jedes Jahr verspürt man am Sonntag einen kleinen Stich, denn eine weitere Ausgabe des Fantoche Animation Film Festival endet. So schnell ziehen all die Filme, Events und Stunden vorbei, so wundervoll war die 20. Ausgabe dieser Veranstaltung. Ein Programm, dass dem Jubiläum mehr als gerecht wurde, eine Vielfalt, die unter der neuen Leitung aufblühen durfte.
Auch wenn man niemals alles sehen konnte, war jede Minute ein Erlebnis. Egal ob im Kinosaal, beim Festivalzentrum, im nächtlichen Royal-Rausch oder beim Plantschen im Bagno Popolare – Animation lebt.
Alle Informationen zum Festival findet ihr unter den folgenden Links:
The Island
Land / Jahr: Rumänien, Frankreich, Belgien / 2021
Regie: Anca Damian
Wie war das noch einmal mit dem weissen Helfersyndrom? Mit der Konsumgesellschaft, die alles auf ihrem Weg in die Zukunft verschlingt? Anca Damian kämpft mit ihrem neuen Langfilm The Island gegen diese Verhaltensweisen und hat dazu die bekannte Geschichte über Robinson Crusoe umgestülpt.
Inspiriert vom Konzert des Theaters nahm der Film viele Stationen, bis das vorliegende Erlebnis entstehen konnte. Überbordend sind die Szenen weiterhin, als Musical konzipiert, mit vielen Repetitionen und einer unüberschaubaren Anzahl an visuellen Kreationen und Seitenhieben. Das macht die Geschichte über Flucht, Ausgrenzung, Kapitalismus und Hoffnung zäh, die Optik hingegen ist berauschend. Auch die Musik und Songs wissen zu überzeugen.
Nayola
Land / Jahr: Portugal, Belgien, Niederlande, Frankreich / 2022
Regie: José Miguel Ribeiro
Lange dauerte der Bürgerkrieg in Angola und bis heute sind die Narben in der Gesellschaft nicht verheilt. Mit Nayola hat José Miguel Ribeiro nicht nur das Theater «A Caixa Preta» als Animationsfilm neu inszeniert, sondern ein emotionaler und packender Einblick in die Geschichte des Landes geschaffen.
Die Brutalität der Geschichte wird mit sehr schönen Bildern und Zeichnungen erträglich gemacht, zwei Zeitebenen bringen drei Generationen einer Familie ins Spiel. Auf clevere Weise wurden 2D- und 3D-Techniken gemischt, Folklore und wahre Begebenheiten zusammengebracht. Spätestens die Szene, in der Nayola traditionell geheilt wird, packt mit all ihrer Magie.
Best Of Fantoche 2022
Die diesjährigen Gewinner:innenfilme
Best Swiss: La reine des renards – Marina Rosset
High Risk Swiss: Manchmal weiss ich nicht wo die Sonne – Samantha Aquilino
New Swiss Talent: The Record – Jonathan Laskar
Fantastic Swiss: Boddyssey – Jonas Bienz
Best Film: Bird in the Peninsula – Atsushi Wada
High Risk: Epicenter – Heeyoon Hahm
Best Visual: Au revoir Jérôme! – Adam Sillard, Gabrielle Selnet, Chloé Farr
Alle Awards findet ihr hier.
Die 20. Ausgabe des Fantoche konnte mit vielen hochkarätigen Kurzfilmen aufwarten – verdient hätten die Preise (fast) alle Werke. Mit dem wunderbar entrückten und trotzdem beruhigenden Bird in the Peninsula gab es einen geniesserischen Siegesfilm, die Schweiz entzückte mit dem süssen und herzwärmenden La reine des renards.
Abstossend und faszinierend als Gegenstück Boddyssey, unser Körper wird nie mehr derselbe sein. Dank dem abstrakten Manchmal weiss ich nicht wo die Sonne ist klar: Die hiesige Animationsszene weiss auch in Zukunft viel Mut aufzubieten. Da freut man sich bereits jetzt wieder auf September 2023.