Fantoche – Internationales Festival für Animationsfilm
Diverse Orte – Baden
Freitag + Samstag, 9.+10. September 2022
Text: Michael Bohli
Ernste Themen, wahre Gegebenheiten, tragische Schicksale und wahnsinnige Fantasien: Am Fantoche finden alle Möglichkeiten der Erzählungen zusammen, animiert und auf die Leinwand projiziert. Das Animation Film Festival in Baden schaffte es auch in der 20. Ausgabe, diese unterschiedlichen Stimmungen zusammenzubringen und hatte so manches Highlight im Petto.
Was sich ebenfalls erneut zeigte: Besuche der Spätvorstellungen sind eigentlich ein Muss.
Alle Informationen zum Festival findet ihr unter den folgenden Links:
Aurora’s Sunrise
Land / Jahr: Armenien, Deutschland, Litauen / 2022
Regie: Inna Sahakyan
Die Lebensgeschichte von Aurora Mardiganians ist unglaublich tragisch. Nicht nur musste sie als Teenager erleben wie ihre komplette Familie im Genozid gegen Armenien getötet wurde, die Wirrungen des Krieges packten sie und mehrmals wurde sie als Sklavin verkauft. Erst die späte Flucht in die USA brachte Erleichterung, doch Hollywood nutzte ihr Leid bloss weiter aus. Aurora’s Sunrise erzählt dies als animierter Dokumentarfilm nach – eine Premiere für das armenische Filmschaffen.
Inna Sahakyan hat mit ihrem Film nicht nur Archivaufnahmen von Interviews und die wiederentdeckten Fragmente des Stummfilms «Auction Of Souls» zusammengeführt, sondern dies mit animierten Sequenzen und Bilder ergänzt. Das ermöglicht Aurora endlich die vermisste Gerechtigkeit fernab der Sensationsgier, dient zugleich als Erinnerung an die schrecklichen Taten vor dem ersten Weltkrieg. Schade nur, wirken die Figuren zu statisch, besonders die Gesichter strahlen wenig Leben aus, was die Gesamtwirkung des Films trübt.
Unicorn Wars
Land / Jahr: Spanien, Frankreich / 2022
Regie: Alberto Vázquez
Beim Studium des diesjährigen Programms des Festivals war nach wenigen Sekunden klar, Unicorn Wars muss gesehen werden. Gesagt getan, Freitagnachts im grössten Saal des Kino Trafo, mit vielen anderen Freaks und einem Bilderreigen, der zwischen kunterbunt glitzernd und bestialisch blutrünstig wechselte.
Basierend auf seinem Kurzfilm Unicorn Blood liefert Alberto Vázquez ein brutales und durchgeknalltes Filmvergnügen ab, das «Bambi», «Apocalypse Now» und «Die Glücksbärchis» in einem Mixer zusammengeschnetzelt hat. Der Krieg wird nicht mit Liebe geführt, dieser Märchenwald bietet keinen hoffnungsvollen Schluss.
Was sich als perfekter Film für das Nachtprogramm entpuppte, geniesst man bestenfalls ohne Vorwissen zu Inhalt und Darstellung. Denn Unicorn Wars hält so einige Überraschungen bereit und entzückt im Detail. Ein schwacher Magen sollte man aber nicht haben.
Dozens of Norths
Land / Jahr: Japan, Frankreich / 2021
Regie: Koji Yamamura
Die Katastrophe in Fukushima brachte Japan in eine Notsituation, bis heute ist das Trauma nicht überwunden. Mit seinem experimentellen Film Dozens of Norths versucht Regisseur Koji Yamamura persönliche Schrecken zu bewältigen. Basierend auf seinen Skizzen und Gedichten ist eine Reise ins Unterbewusstsein entstanden, die sehr abstrakt bleibt.
Ohne Wissen zu Kontext und Inhalt ist der Film schwer zu geniessen, ebenso muss man sich auf die ruhigen Bilder mit animierten Wiederholungen einlassen können. Dann allerdings wissen Zeichnungen und Gedanken zu überzeugen. Sehr spannend auch, wie perfekt sich die Musik von Willem Breuker in den Film einfügt, wurde diese bereits 1983 für andere Zwecke geschrieben.