5. September 2020
Diverse Orte – Baden
Website: fantoche.ch
Japanischer Noise Rock – ein Thema, das zu selten im Zentrum eines Animationsfilmes steht. Wobei die aktuellen Langfilme am Fantoche Festival in Baden immer wieder Nischen finden, in die sich bisher keine Regisseur*innen gewagt haben. Und diese Lust macht einen Grossteil des Reizes an dieser Veranstaltung aus. So wurden vor unseren Augen Nasen lebendig, Geister suchten alte Freunde auf und die Flöte wurde zum Superstar eines Rockfestivals. Ein normaler Samstag an der diesjährigen Festivalausgabe halt.
The Nose or the Conspiracy of Mavericks
Land / Jahr: Russland / 2020
Regie: Andrey Khrzhanovsky
Musik: Dmitry Shodtakovich
Website: imdb.com
1836 schrieb der russische Dichter Nikolai Wassiljewitsch Gogol die Kurzgeschichte „Die Nase“ und verband damit Gesellschaftskritik mit surrealistischen Motiven. Diese Kunstform wurde im 20. Jahrhundert nicht nur weitergesponnen, sondern das Stück durch diverse Komponisten als Oper neu belebt. Bei den herrschenden Mächten (will heissen bei Stalin) kamen diese progressiven Kulturformen nicht gut an und eine Säuberung wurde ausgerufen.
Mit vielen Schichten und unzähligen Links zwischen den Jahrzehnten und politischen Entscheidungen Russlands wechselt der Film The Nose or the Conspiracy of Mavericks von Andrey Khrzhanovsky oft die Perspektive. Was zuerst, nicht nur dank dem Operngesang der Figuren, zu wirren Situationen führt, entpuppt sich immer stärker als gewiefte Betrachtung und Kritik der Landesgeschichte. Russische Klassiker treffen auf heutige Verbrechen, damalige Handlungsträger müssen sich mit kreativen Schöpfungen herumschlagen. Ein Film, der nicht nur unterhält, sondern bildet und zum Nachdenken anregt.
Her Blue Sky
Land / Jahr: Japan / 2019
Regie: Tatsuyuki Nagai
Musik: Masaru Yokoyama
Website: soraaoproject.jp
On-Gaku: Our Sound
Land / Jahr: Japan / 2019
Regie: Kenji Iwaisawa
Musik: Tomohiko Banse, Grandfunk und Wataru Sawabe
Website: frenetic.ch
Wer in der Schule aus Langeweile nicht mehr weiss, was mit dem Leben noch anzufangen wäre, der gründet eine Band. So jedenfalls tun dies die drei Jungs um den Leader Kenji und entdecken dabei den minimalistischen Noise Rock. Schneller als gedacht feiern sie damit Erfolge und werden sogar bei einem Festival gebucht. Das bringt ihnen aber nicht nur Freunde ein.
Langsam mit vielen, lang gehaltenen Aufnahmen erzählt, sprengt On-Gaku: Our Sound von Kenji Iwaisawa die Gewohnheiten des modernen Animationsfilms. Diese Ruhe hilft der Geschichte und lässt die Erzählung stark nachwirken. Dazu gibt es für den Musikfanatiker viele Hinweise auf wegweisende Alben der Rockgeschichte zu entdecken. So landet eine Figur plötzlich einer Welt, welche aus Covermotiven von Led Zeppelin, Pink Floyd und Mike Oldfield zusammengebastelt wurde. Oder empfiehlt einem Freund das Debütalbum von King Crimson.
Die transformative Kraft der Musik wird im Film, welcher Iwaisawa eigenhändig gezeichnet und erstellt hat (plus einigen auffälligen Rotoskopiestellen), aber nicht nur durch solche Sequenzen beschrieben, sondern mit wechselnden Zeichenstilen und Figuren, die Instrumente, Stilrichtungen und gar Geschlechter tauschen. Ein grosser Spass.
Unsere Empfehlungen für den Sonntag:
12:00 Special Focus: Maria Mac Dalland / 15:45 Topp 3 / 20:15 Best of Fantoche
Das gesamte Programm ist hier zu finden.