3. September 2020
Diverse Orte – Baden
Website: fantoche.ch
Da dieses Jahr die nächtlichen Partys aus Sicherheitsgründen gestrichen wurde, kann man sich noch früher ans Fantoche Festival begeben, um dort beispielsweise am Artist’s Brunch den Filmemacher*innen brennende Fragen zu stellen. Oder einfach länger in den Kinosälen sitzen. Dies wäre meine Entscheidung, ist das diesjährige Programm erneut ein faszinierender Querschnitt durch alle Möglichkeiten des Animationsfilms. Nicht möchte man verpassen.
Allerdings muss auch gesagt werden, dass im Gegensatz zum letzten Jahr weniger Kurz- und Langfilme für die Präsentation zur Auswahl standen und an Donnerstag dann leider ein Programmpunkt rechtetechnisch ausgetauscht werden musste. Kein Problem aber für das Festivalteam, zaubert es scheinbar Stunde für Stunde mühelos weitere Highlights aus der Trickkiste.
La tortue rouge
Land / Jahr: Frankreich, Japan, Belgien / 2016
Regie: Michael Dudok de Wit
Musik: Laurent Perez del Mar
Website: filmcoopi.ch
Mit dem wortlosen und wunderschön gemachten Film durfte man für 80 Minuten in eine bessere Welt eintauchen. Als erster nichtjapanischer Film, der vom renommierten Studio Ghibli produziert wurde, zeigt La Tortue Rouge auf, wie nötig die erneute Annäherung zwischen Menschheit und Natur wäre. Ohne moralisch grob zu werden, verdeutlichen die weichen Bilder umso stärker die herrschende Kluft.
Regisseur Michael Dudok de Wit entschied sich glücklicherweise gegen eine zu plakative Darstellung des Geschehens und lässt vieles im Film wie ein Traum wirken. Dabei helfen die monochromen Darstellungen der Nacht und das geniale Sounddesign. Schnell fühlt man sich als Zuschauer*in mit den Charakteren und Tieren auf der einsamen Insel verbunden, sehr gerne möchte man selbst als Schiffbrüchiger dort landen und sein Glück in der Einsamkeit versuchen.
Ein Film, der drei Jahre nach dem Erscheinen und der Oscarnomination nichts von seiner Faszination eingebüsst hat. Was allerdings weiterhin nicht nachvollziehbar ist: Wie konnte La Tortue Rouge damals nur gegen den globalen Mauskonzern bei der Preisverleihung verlieren?
Weitere Spielzeiten: Do., 03.09, 17:30 / Fr., 04.09, 10:45Kino Trafo / So., 06.09, 12:45
Les Triplettes de Belleville
Land / Jahr: Frankreich / 2003
Regie: Sylvain Chomet
Musik: Benoît Charest
Website: frenetic.ch
Anstelle von LSD-Trips und Sechzigerwahn gab es an diesem Abend in Baden eine Reise ins vom Fahrradrennen besessene Frankreich. 2003 veröffentlicht, zeigt der erste Langfilm von Sylvain Chomet eine Obsession von sehr absurder Seite. Nicht nur die Gesichter und Körper wurden überzeichnet, sondern die Handlungen und Gefahren. Warum sonst sollte die Weinmafia drei Radrennfahrer entführen, um aus ihnen die besten Pferde im Wettstall zu machen?
Ein Spass, der etwas zu stark zwischen wilden Sequenzen und zäh wirkenden Repetitionen schwankt, am Ende aber durch eine grosse Vorstellungskraft überzeugt. Und die musikalischen Einlagen, welche die Showgruppe Les Triplettes de Belleville in jeder Altersstufe bietet, sind mitreissend. Dadurch entschädigt die zweite Hälfte des Filmes durch eine stärkere Einbindung dieser drei verrückten Frösche, äh Frauen.
Übrigens hat auch dieser Film an den Oscars einem Weltkonzert Platz machen müssen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit?
Internationaler Wettbewerb 2
7 Kurzfilme aus diversen Ländern
Mit den Wettbewerbsblöcken ist es immer so eine Sache: Entweder erwischt man die Gruppierung von eher längeren Produktionen, oder man taucht in einen wilden Strudel ein. Block zwei ist ersteres und wagt sich selten in humorvolle Gefilde. TIE von Alexandra Ramires untersuchte das Leben und den Tod aus ungewohnten Perspektiven, bei Précieux wird der schulische Alltag eines autistischen Kindes gezeigt. Wunderbar von Paul Mas in Puppenanimation gedreht, aber sehr melancholisch.
Da tat es gut, wurden die gewichtigen Überlegungen durch das Musikvideo Catgot (Tsz Wing Ho zum Song von ISAN) oder Synthwave-Darstellung von Gott, Schicksal und Vorbestimmung unterbrochen (Little Miss Fate von Joder von Rotz). Der Schalk kehrte zurück, das Element des Dada fand in den Kinosaal.
Und der Weg aus dem Dunkeln wurde mit der Betrachtung Dutchgaria von Capucine Muller noch einmal erheitert. Kauderwelschsprache, ungewohnte Sitten, das versuchte Eingewöhnen einer zugezogenen Französin. Eine abenteuerliche Reise an einen unbekannten Ort, voller genialer Einfälle und aberwitzigen Kunstzitaten.
Weitere Spielzeiten: Sa., 05.09, 13:30
Unsere Empfehlungen für den Freitag:
12:30 Tout en haut du monde / 13:45 Young Role Models for Girls at Heart / 17:30 Her Blue Sky / 20:30 My Favorite War
Das gesamte Programm ist hier zu finden.