6. September 2018
Diverse Orte – Baden
Website: fantoche.ch
Der Besuch am Animationsfilmfestival Fantoche hat auch immer etwas mit Begegnung oder gar Konfrontation zu tun. Sei es mit eigenen Grenzen oder zu neuen Gegebenheiten, das Überschreiten ist ein wichtiger Teil der Erfahrung. Somit ist es ein Leichtes, diese Grundthematik in diversen Beiträgen festzustellen, auf welche Weise auch immer. Interessant ist dabei festzustellen, wie oft die Hürde der flachen und fernen Leinwand in Vergessenheit gerät. Figuren auf Papier oder aus Stoff werden zu deinen Begleitern, computermodellierte Landschaften zu deiner Umgebung. Was würde da besser passen, als die Vermengung von momentanen und konservierten Handlungen? So an der 16. Ausgabe zum ersten Mal geschehen.
Animeo & Humania
Land / Jahr: Schweiz / 2018
Mit und von: François Chalet und Theater Marie
Sound Design: Daniel Steiner
Website: theatermarie.ch
Das Theater Marie hat sich 2017 mit der Leitung des Fantoche in Verbindung gesetzt und eine Zusammenarbeit gewünscht, was in nachvollziehbarer Weise zuerst für Stirnrunzeln sorgte. Der Animationsfilm ist schliesslich ein abgeschlossenes, konserviertes und nicht formbares Produkt, ein Theater ein aktueller und immer leicht anders wirkender Moment. Mit der Findung des Gestalters François Chalet und dem cleveren Einfall, die ewig geltende Liebesgeschichte zwischen Romeo und Julia in eine neue, semidigitale Welt zu übertragen, kam „Animeo & Humania“ ins Rollen.
So trafen sich im Royal zum ersten Mal Schauspielerin Lina Hoppe und ihr „Animeo“, ein simpel gezeichnetes, männliches Wesen, das zwischen spielerischer Geometrie und werkgetreuen Shakespeare-Zitaten wechselte. Gemeinsam erforschten sie die ersten Umgarnungen der Liebe und fanden Berührungspunkte zwischen 2D- und Vollblutwelten. Dank dem geschickt aufgebauten Bühnenbild und dem Einsatz von Requisiten wurden die physikalischen Grenzen durchbrochen und ein gegenseitiges Wechselspiel nahm seinen Lauf.
Schon fast vergass man, dass sich hier nicht zwei autark agierende Figuren umgarnen, sondern die eine Hälfte dieses Dialoges von einer Maschine übernommen wurde. Doch „Animeo & Humania“ endete schlussendlich genau dort, wo es die grosse Vorlage bereits hin verschlug: Im unausweichlichen Drama. Die Inszenierung machte schnell wieder klar, dass trotz Plastizität und eingeübten Abläufen alles nur ein Spiel war, das sich den technologischen und programmierten Rhythmen zu unterwerfen hat. Die Leinwand trennt Mensch und Maschine erneut und lässt Wesen zu Ideen werden, wahre Gefühle zum vorgelesenen Skript.
Weitere Spielzeiten: Sa., 08.09, 20:00
International Competition 4
8 Kurzfilme aus diversen Ländern
Der Mut werde belohnt, das heisst es in der Einführung zum vierten, internationalen Wettbewerbsblock – man solle sich also auf Ungewöhnliches einstellen. Und wie wahr diese Worte doch sind, das wurde einem bereits beim ersten Beitrag „Bloeistraat 11“ von Nienke Deutz bewusst. Eine kleine Coming-Of-Age-Geschichte, zwischen Stop-Motion und bemaltem Plastik, welche das fremdartige Gefühl der eigenen Veränderung sichtbar machte. Mit Ausblendung und Leerstellen arbeitete hingegen Dimitris Simou in „Maybe It’s Me„, ein Film über Verlust von Erinnerungen, zwischen Computerdaten und Animation.
Mit „Pearfall“ (Leonid Shmelkov) wurde gezeigt, dass man auch absurd und witzig auftreten darf, um zugleich Wissen zu vermitteln. Sei es auch nur, um sich vor fallenden Birnen schützen zu können. Und wenn man dann mit „Trespassers, Beyond the Veil“ von Pernille Kjær Realitäten und Zustände zwischen 2D- und 3D-Welten vermischte, dann waren die merkwürdigen Theorien von „The Breath’s Deer“ (Anders Ramsell) schon fast wieder Alltag. Ein bunter Topf für den Kopf, sozusagen.
Weitere Spielzeiten: Fr., 07.09, 16:15 / Sa., 08.09, 18:30
La Casa Lobo
Land / Jahr: Chile / 2017
Regie: Christobal Leon, Joaquin Cocina
Sound Design: Claudio Vargas
Website: leoncocina.com
Die Nacht war hereingebrochen, die letzten Neugierigen fanden sich in den Sitzen ein – und die Einführung wusste sich nicht zu helfen: Das Stop-Motion-Werk „La Casa Lobo“ aus Chile ist wahrlich nicht klar zu deuten, dafür umso faszinierender. Mit der Aufarbeitung der Geschehnisse in der „Colonia Dignidad“ in den Sechzigern zeigen die Regisseure, wie grausam die deutsche Sekte ihre Mitglieder damals behandelt und verändert hatte. Anhand eines Mädchens, welches scheinbar von der Gesellschaft verstossen in einem verlassenen Waldhaus leben muss, werden die psychologischen und physischen Folgen von Missbrauch und Unterdrückung versinnbildlicht. Beginnend als gemalte Bilder, welche ganze Räume überdecken, wird „La Casa Lobo“ immer mehr zu einem Verwirrspiel mit Puppen, rückwärts laufenden Bildern und extremen Kulissen.
Keine einfache Kost für die späte Stunde und den Tagesabschluss, dafür umso packender und überwältigender. In unglaublicher Kreativität wurde hier ein Werk mühselig erstellt, das mit seinen kryptischen Bildern, den deutschen und spanischen Texten sowie der unheimlichen Musik einen extremen Sog entfaltet. Wer hat denn nun Angst vor dem bösen Wolf?
Weitere Spielzeiten: Fr., 07.09, 20:45 / Sa., 08.09, 22:45
Unsere Empfehlungen für den Freitag:
18:30 Isle of Dogs / ab 19:00 Bagno Popolare / 19:30 Animation Fuckup Night (Royal) / 22:45 Oscar-Shortlist: Fantoche Choice
Das gesamte Programm ist hier zu finden.