Burghof – Lörrach
Dienstag, 23. Mai 2023
Text und Foto: Torsten Sarfert
Das Konzert von Fantastic Negrito im Lörracher Burghof beginnt pünktlich an diesem frühsommerlichen Dienstag Abend. Ohne supportact und etwas irritiert betritt der dreifache Grammy Gewinner der Kategorie Best Contemporary Blues Album die Bühne. Hätte er gewusst, dass er in so einem edlen und sauberen Etablissement spielen würde, hätte er sich etwas passenderes angezogen. So reichte es nur für die Hose seiner Schwester, scherzt er gutgelaunt und funky gewandet, um sogleich beim Opener „When Everything Went Wrong“ (vom „Arcane“ Soundtrack) die Anzahl seiner bespielbaren Gitarrensaiten auf fünf zu reduzieren. Der „Chocolate Samurai“ bleibt cool, intoniert eben jenen zweiten Song in einem funky Reggae-Beat und lässt Saite Saite sein. Eine gute Show funktioniert auch mit fünf Saiten. Zumal der Mann mit dem bürgerlichen Namen Xavier Amin Dphrepaulezz aufgrund einer Handverletzung durch einen schweren Autounfall sowieso über eine besondere Spieltechnik verfügt.
Aber zum Wesentlichen: Dieser Mann ist mehr als nur ein Musiker. Seine spannende Biografie ist für Interessierte auf Wikipedia nachzulesen und seine Konzerte sind musikalische Happenings mit Message. Umso erstaunlicher, dass es diesen Ausnahmekünstler auf seinen ohnehin nur drei deutschen Konzertterminen ausgerechnet nach Lörrach verschlagen hatte. Ich jedenfalls war sehr dankbar für diese für mich nahgelegene Performance, die im unterhaltsamen Schnelldurchlauf die Entwicklung und Bedeutung der afroamerikanischen Musik für die globale Popkultur zusammenfasste, garniert mit gesellschaftspolitischen Statements eines eloquenten, bescheidenen Künstlers. Übrigens von selbigem als „black roots music for everyone“ kategorisiert. Unbedingt zur Weiterbildung empfohlen sei das unten verlinkte Video zu seinem letzten Album „White Jesus – Black Problems“. Kann man dieses komplexe Thema in nur vier Worten besser auf den Punkt bringen? Ich denke nicht.
Aber zurück zum Konzert: Begleitet von einer bestens eingespielten Truppe bekam man also Soul, Blues, Rock, Funk, Reggae, Country und sogar etwas Heavy Metal geboten, was erstaunlicherweise keine Brüche darstellte, sondern wie aus einem Guss aus den Boxen floss. Interpretationen von Klassikern wie „Ain’t No Sunshine“ oder das bereits von Nirvana kongenial gecoverte „In The Pines“ rundeten den sympathischen Auftritt ab und doch dürfte das sitzende Publikum im Burghof ob des ungewöhnlichen Mixes teilweise ein wenig irritiert gewesen sein. Der Stimmung tat es jedenfalls keinen Abbruch und der glühende Prince-Fan und seine Mannen liessen sich nach 1,5 Stunden bei standing ovations sogar noch zu einigen Zugaben hinreissen. Fantastic Negrito – jetzt ohne fünfsaitige Gitarre aber mit amtlichen Rockposen – und Band gaben dabei noch einen Hinweis darauf was passieren kann, wenn man sie in einen stickigen Rockclub stecken würde.
Wie die Fantastic Negrito Performance im Vorprogramm einiger Konzerte der aktuellen Stadion-Tour vom Boss Springsteen aufgenommen wurde ist mir zwar nicht bekannt, lässt aber gewisse Rückschlüsse auf den künstlerischen Stellenwert zu.