28. April 2018
Gaswerk – Winterthur
Bands: Esben And The Witch / Soldat Hans / Wrekmeister Harmonies / O / Rue Des Cascades / Last Minute To Jaffna
Dieser Frühling muss gar nicht immer so frech strahlen, denn die dunkle Musik lebt auch in solchen Zeiten. Gut also, wurde der Samstag in Winterthur mit dem Düsterfest gefeiert, einer Nacht voller brutaler, wuchtiger und eindringlicher Musik. Zwischen Nebelschwaden, Schattenspielereien und Verkaufständen der in der Szene heimischen Plattenläden versank man somit in andere Welten, in denen die Sonne nur dazu dient, verräterische Kreaturen am lebendigen Leib zu verbrennen.
Dies machten Last Minute To Jaffna aus Italien als erster Act auf der Hauptbühne bereits zu früher Stunde und noch vor etwas lichten Reihen klar. Ihr gewaltiger Sludge, angereichert mit viel Doom-Metal, war wie eine Säulenhalle aus pechschwarzen Steinreihen, unendlich hoch geschichtet und Reihe für Reihe einstürzend. Zwei Gitarristen teilten sich die Position der Songführung mit Growls und tiefen Melodien, der Bassist vollführte einen teuflischen Tanz über die gesamte Bühnenbreite – bis die Band wieder in ihren Drones versank.
So viel zu sehen gab es anschliessend bei O – ausgesprochen nicht etwa als Buchstabe „O“, sondern gemeint als „Kreis“ – nicht. Die ebenfalls aus Italien stammende Band übertrug die Anonymität ihres Namens auch auf ihren Bühnenauftritt: Sobald man die Treppe zur kleineren Foyer-Bühne betrat, versank man komplett im Nebel und sah bestenfalls noch den Vordermann beim Kopfnicken. Sänger S (ja, auch die Namen treten hier in den Hintergrund) begab sich gerne vor die Bühne und zeigte sich so zumindest als dunkle Silhouette, während der Rest der Band gänzlich unsichtbar blieb. Dies passte aber ausgezeichnet zur Mischung aus wuchtigem Post-Hardcore, Post- und Black Metal, mit der O uns über die Ohren hinwegwälzten.
Das Tempo komplett rausgenommen wurde danach bei den in Winterthur heimischen Soldat Hans. Die Gruppe hatte die Ehre, ihr neustes Album „Es taut“ auf der grossen Bühne im Gaswerk vor vielen Freunden und Fans zu taufen. Die drei extrem schleppenden Kompositionen bewegten sich zwischen Doom Metal, psychedelischen Gitarrenpassagen und leicht folkig angehauchten Verführungen. Mit Geige, Orgel und emotionalem Gesang wurden die Besucher in eine Trance versetzt, die trotz der Langsamigkeit nichts von der Wucht der anderen Bands vermissen liess. Kein Wunder also, spielten nach diesem kolossalen Auftritt einige mit dem Gedanken, die limitierte Platte in Betonverpackung zu kaufen.
Eine etwas andere Richtung schlugen schliesslich Wrekmeister Harmonies aus den Staaten ein. Das musikalische Projekt um JR Robinson kümmert sich nicht um Genregrenzen und mischt Doom mit Akustik, sphärischen Elektronik-Flächen und dröhnenden Gitarren. Die Visuals dazu bewegten sich zwar hart an der Grenze des guten Geschmacks – man durfte diversen Autopsien auf Grossleinwand beiwohnen – passten aber auch irgendwie zur Stimmung der Musik. Nicht selten kam man auf den Gedanken, hier gerade Nick Caves verlorenem Bruder aus der Hölle zuzusehen.
Beim Hauptact des Abends wurden die Bilder alleine durch die gespielte Musik in den Köpfen der Zuschauer erschaffen. Esben And The Witch sind als Trio seit zehn Jahren defür bekannt, auf ureigene Weise alternativen Rock in den Weiten des Post- und Gothic-Rock zu versenken und dabei neue Perlen zu entdecken. So nutzten sie den Abend des Düsterfests, um sich auf längere und poetischere Kompositionen zu verlassen. Nicht nur „The Jungle“ am Ende des Auftrittes sorgte für zitternden Boden, durchgeschüttelte Köpfe und zerstörte Geborgenheit – ihr gesamter Auftritt war wie eine lange Beschwörung, in der sich die Leute langsam in Hexen, Wölfe und Urmonster verwandelten.
Als letzte Band des Abends durften auch noch Rue des Cascades ihre Wucht entfesseln. Die Winterthurer hatten im Gaswerk sozusagen Heimspiel und liessen ihre Mischung aus Drone, Doom und Ambient noch einmal erbarmungslos auf das langsam schon nicht mehr ganz so frische Publikum los. Das Düsterfest fand so zum perfekten Abschluss, und man wurde zwar müde, aber mehr als zufrieden in die Nacht entlassen.