10. Oktober 2018
Salzhaus – Winterthur
Bands: Deafheaven / Inter Arma
Wir können uns alle glücklich schätzen, dürfen wir in Zeiten leben, in denen Grenzen und Schubalden immer weiter gesprengt und vermischt werden. Wichtig dabei ist, dass man sich nicht nur offen und tolerant gibt, sondern auch mutig und furchtlos. Was politisch und sozial nicht immer so einfach zu bewerkstelligen ist, findet in der Musik – wie so oft – seinen Anfang. „Ordinary Corrupt Human Love“ heisst der Banner, Deafheaven die Ausführung – ein Paradebeispiel für neue Möglichkeiten und die Horizonterweiterung.
2010 in San Francisco gegründet, wagten sich die Musiker daran, das oft sehr stiefmütterlich behandelte und von Puristen vergötterte Genre Black Metal in die neue Zeit zu transportieren. Mit Einflüssen von Shoegaze, Post-Metal und vor allem dem gesamten Spektrum der Emotionen gelang ihnen dies vorzüglich und gipfelte in Meisterwerken wie „Sunbather“. Mit dem Auftritt in Winterthur bewiesen die Amerikaner, dass dies kein Einzelfall war und nicht nur Beängstigendes aus den Staaten kommen muss.
Wild, schnell und laut – das war der Abend im Salzhaus von Beginn an. Deafheaven spielten in ihrem Set zwar nur acht Songs, doch dank langen Kompositionen und einer unermüdlichen Darbietung wurde die Nacht zu einer bewegenden Zeit. Mit „Honeycomb“ und „Canary Yellow“ startete die Gruppe episch und stellte die Qualitäten des neuen Albums unter Beweis. Sehnsüchtige Instrumentalpassagen folgten auf ultraschnelles Geknüppel, Gitarrenmelodien streichelten die Growls. Ein Aufbau, der sich durch den gesamten Auftritt zog und immer wieder in andere Zustände begleitete. Mit „Sunbather“ und „Brought To The Water“ gab es ein Dankeschön an die Vergangenheit, vor dem aufbäumenden Schluss der Gegenwart.
Denn gerade das perkussive und extrem abwechslungsreiche Monster „Glint“ vom vierten Album zeigte Deafheaven von ihrer intensivsten und besten Seite. Blackgaze vom Feinsten, Liebe und Brutalität in Harmonie vereint. Es war schon erstaunlich, wie perfekt gefühlvolle Klaviermelodien und wilde Angriffe zusammenpassten, oder wie leicht die Transformation von schwarzen Schatten zu lichtdurchfluteten und bunten Arrangements gelang. Die Band eroberte das Salzhaus und alle Anwesenden im Sturm, schüttelte unser Innenleben durch und gab uns ein positiv düsteres Gefühl mit nach Hause.
Wie auch Inter Arma aus Virginia, welche zuvor mit grober Gestik und Theremin jegliche Metal-Unterarten zu einem Orkan zusammenmischten. Sechs Männer befanden sich auf der Bühne, um von schleppenden Doom-Takten zu extremen Black-Metal-Hieben lange und abwechslungsreiche Lieder über die Besucher zu ergiessen. Ohne Rücksicht auf Konventionen, voller Energie und mit gefährlich scharfen Gitarren. Und als Schlagzeuger T.J. Childers gegen Ende des Konzertes zu einem wahren Kraftakt an Ausdauer und Wucht ausholte, da waren nicht nur alle Leute restlos begeistert, sondern auch die Getränkeflaschen schnell leer.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Honeycomb
2. Canary Yellow
3. Sunbather
4. Brought to the Water
5. Worthless Animal
Zugabe
6. You Without End
7. Glint
8. Dream House
Text: Michael Bohli