12. Mai 2018
Kaserne – Basel
Bands: Reverend Beat-Man & The New Wave / The Lombego Surfers / Neo Noire / H E X / Echolot / The Leaving
Als die Veranstalter des diesjährigen Czar Fests davon gesprochen haben, den Besuchern an diesen zwei Tagen einige Überraschungen bieten zu können, haben sie uns allen echt nicht zu viel versprochen. Denn nicht nur wurde man mit neuer Musik und Stargästen verwöhnt, auch einige Formationen hatten wichtige Botschaften zu vermelden. So lohnte sich der Besuch des zweiten Abends in der Kaserne auch dann, wenn man die gefeierten Stunden des Freitags noch in den Knochen spürte. Aber die kunstvollen Bilder, die liebevollen Merchandise-Koffer und die gemütlichen Bänke luden zum Glück auch zum entspannten Genuss ein. Wir aber stürzten uns lieber wieder vor die Bühne.
Leise, sanft und zerbrechlich waren die ersten Töne des Abends, zu Beginn nicht mal Akkorde auf der Gitarre. The Leaving, Festorganisator Fredy Rotters Soloprojekt, entführte in melancholischem Downtempo weg vom Planeten Erde in die Tiefen des Outer Space. Die Vocals, einmal nur ein Hauch, dann wieder hart, laut und schreiend, aber immer sehr intim, untermauerten die haftenbleibenden Melodien. Verworren und verwirrend, aufsteigend zum grossen und lauten Finale mit Songs von Zatokrev. Eine Orgie der tiefen Töne, der schwebenden und hallenden Effektgeräte. Man wollte das Hier und Jetzt zusammen mit The Leaving verlassen, mitgehen und mitfliegen ins Zentrum der Galaxie. Egal, was einen da erwartete, es war der richtige Ort.
Mystisch, suchend, immer wieder ausufernd, hart und laut: Die Musik der drei Basler von Echolot war manchmal psychedelisch ausschweifend und abdriftend, ging ohne Vorwarnung in Stoner Rock über, nur um im Doom zu enden – begleitet von Glitzermonstern und Zeremonien. Die Songs von Echolot wuchsen aus dem Bauch heraus und zeigten mit weiblicher Unterstützung beim Gesang während ihrem zwölfminütigen melodiösen, opulenten und grossartigen Finale, dass die Finsternis ein Platz ist, vor dem man keine Angst haben muss.
Wie ein dunkler, alles verschlingender Teppich rollten sich daraufhin H E X durch den Raum. Die fünfköpfige Band aus Genf erschuf dichteste Gitarrenwände, die kaum einmal durchbrochen wurden und, ohne sich gross in Melodien zu verlieren, alles plattwalzten. Selten durfte sich der Synthie in den Vordergrund drängen, die Feinheiten blieben fast ausschliesslich auf ein wahnsinnig präzises Drumming beschränkt. Das Resultat war eine kalt-technische Atmosphäre, hypnotisierend und in ihren Bann ziehend. Genau für solche Entdeckungen lieben wir das Czar Fest!
Die anschliessend die Bühne betretenden Herren von Neo Noire dürften in der Basler Szene hingegen bereits gut bekannt sein. Die Post-Grunge-Formation um Czar-Labelchef Fredy Rotter schien an diesem Tag noch mehr Energie und Wucht in ihren Auftritt zu stecken als sonst. Das hatte auch seinen Grund: Es würde das letzte Mal sein, dass man Neo Noire in dieser Formation sieht – Fredy wird die Band aus zeitlichen Gründen verlassen. Ein neuer Song hatte aber dennoch Platz an diesem Abend. Danke, dass ihr diese Küchentisch-Idee zu einer Band gemacht habt, Jungs!
Und wieso nicht die letzten Stunden des diesjährigen Czar Fests auf komplett andere Weise ausklingen lassen? Schliesslich sind The Lombego Surfers seit 30 Jahren ein grosser Bestandteil der Musikszene in Basel und bewiesen auch in der Kaserne erneut, dass ihre schmissige Mischung aus Surf, Rock’n’Roll und sanftem Punk immer noch viele Besucher – egal ob jung oder alt – zum Tanzen anregt. Ohne grosse Pausen, mit einem gewissen Leichtsinn und vielen Wirbeln am Schlagzeug bewies der diesjährige Spezialgast seine Position. Und das schönste daran war, erleben zu können, wie vielseitig und offenherzig die Szene in Basel doch heute ist. Metalkutten oder Twangle-Gitarren? Das lässt sich auch vermischen.
Kein Problem also für Reverend Beat-Man And The New Wave als letzte Band dieses kleinen Festivals, die Livepremiere mit ihrem Blues-Trash unbeschadet zu überstehen. Neugierig war das Publikum und drängte sich bereits beim Line-Check in den Konzertraum – und wurde von der neuen Formation des Pastors nicht enttäuscht. Nach einer geistervernichtenden Ansprache über die Herkunft des Herren Beat-Man tauchte man in die Lieder des neuen Albums „Blues Trash“ ein und wurde von einer perkussiven Wucht überrollt. Denn nicht nur Schlagzeuger Julian Sartorius bearbeitete seine Trommeln, auch der Kragenträger selber und die Sängerin Nicole Izobel Garcia schlugen auf den Putz.
Egal ob Garage Rock, mexikanisch beeinflusste Songs oder das teuflische Akkordeon von Mario Batkovic – dieses letzte Konzert war ein perfekter Schlusspunkt für das diesjährige, bereits dritte Czar Fest in Basel. Musik, die sich vielseitig, leicht der Szene und tief dem Untergrund angehörig zeigte und mit Krach und Experimenten keine Berührungsängste hatte. Wie halt auch der Rest, für den die Heuschrecke steht. Gross!
Text: Cornelia Hüsser, Mischa Castiglioni und Michael Bohli
Bilder: Anna Wirz