blauespferd.ch
Mr. Linus + ZSK + Sondaschule + The Sensitives + Homewards
Reitschule – Bern
Freitag, 24. Januar 2025
Text: David Spring
Was gibt es Besseres als zwei Abende voller schöner Menschen, wildem Pogo und lautem Punkrock. Genau, gar nichts! Und darum ist es jedes Jahr aufs Neue wieder ein Fest für die Sinne, wenn die Tore der Grossen Halle in der legendären Berner Reitschule aufgehen und uns zum wunderschönen Blauen Pferd einladen.
Auch die 2025er Ausgabe versprach ein hochkarätiges Lineup mit dem perfekten Mix aus grossen Punk-Legenden und lokalen, noch weniger bekannten Bands. Und es sollte sich mehr denn je zeigen, dass die Schweizer Szene endlich wieder ready für neue Musik ist und nicht mehr nur zum Headliner erscheint. So war die standesgemäss unterkühlte Halle beim Auftakt schon gar nicht mehr so leer, wie auch schon. Gut so, denn Homewards haben es mit ihrer selbsternannt traurigen Musik mehr als verdient, gehört zu werden. Der mal brachiale, mal sphärisch verletzliche Post-Hardcore des Fünfers aus Zürich wusste zu überzeugen und ging von Beginn an vorzüglich ab. Beachtlich war neben den gewaltigen Riffs insbesondere die Stimme von Sänger Sevi, der heute leider eine der letzten Shows mit der Band absolvierte. Was er seinen Stimmbändern abverlangt, ist jedes Mal aufs Neue absolut beeindruckend. So räumten Homewards mit ihrem kurzen, aber intensiven Set auf ganzer Linie ab und eröffneten das Blaue Pferd gekonnt und fulminant! Sehr schön!
Als nächstes stand das sympathische Folk Punk Trio The Sensitives auf dem Programm. Als erstes war festzustellen, dass die Band offensichtlich nicht aus unseren Gefilden stammt, sondern aus dem hohen Norden. Während die meisten Leute nämlich sogar noch ihre Jacken anhatten, trat Gitarrist und Sänger Martin in knackigen Hotpants auf. Tatsächlich dauerte es dann auch gar nicht lange, bis die Temperaturen zu steigen begannen, denn beim furiosen Vollgas-Punk der Band aus Schweden kam schnell Bewegung auf. Die rasante Show des Trios war leider von ein paar soundtechnischen Problemen geplagt, was etwas schade war, doch weder Band noch das Publikum liessen sich den Spass verderben. Als dann mit dem grossartigen «Tear Down That Flag» viel zu schnell das Ende erreicht war, bedankten sich The Sensitives artig und fragten schüchtern, ob wir sie vielleicht gar besser als ABBA fänden. Es folgte, was folgen musste und so wurden wir dann logischerweise noch mit «Dancing Queen» als krönenden Abschluss belohnt. Was für ein Fest.
Die Grosse Halle der Reitschule war mittlerweile bestens gefüllt und auch nicht mehr ganz so kalt. Viele der Besuchenden waren für die nächste Band des Abends hier, die Grossmeister des Deutschen Ska-Punks: Sondaschule. Dass hier nun eine etwas grössere Nummer am Start war, erkannten wir am schicken Vorhang, der gehisst wurde. Als es dann mit glasklarem, druckvollem Sound losging, war die Freude im Saal nicht nur aufgrund der behobenen Soundprobleme riesig. Die Band aus Oberhausen lieferte eine Show der Extraklasse ab. Gutgelaunt und voller Energie feuerten sie einen Hit nach dem anderen raus. Selbst ich als alter Ska-Verächter kam nicht umhin, hier mit grossem Grinsen im Gesicht abzugehen. Ob fröhlich bekloppte Songs wie «Dumm aber glücklich» oder fantastische Sozialkritik mit Posaune wie zum Beispiel das geniale «Waffenschein bei ALDI», Sondaschule überzeugten von der ersten bis zur letzten Sekunde. Es ist immer wieder geil, wie das Blaue Pferd das Beste aus allen Bereichen des Punks unter sich vereint und den Fans Jahr für Jahr ein dermassen abwechslungsreiches, hochkarätiges Programm bietet.
Noch schöner als diese Tatsache hingegen war, dass damit ja noch lange nicht Schicht im Schacht war, denn mit ZSK stand nun der heutige Headliner auf dem Programm. Ja und was soll man sagen? Wenn die nicht altern zu wollenden Jungs aus Berlin zum Tanze laden, dann liegt ihnen die Welt zu Füssen. Vom ersten Ton an ging es Vollgas nach vorne, allen voran Joshi, der voller Energie und vor Freude strahlend über die Bühne raste. Mit Konfettikanonen und amüsanten, beschreibbaren Lampen auf der Bühne, die immer mal wieder was Neues abbildeten, gab es kein Halten. Hits wie «Punkverrat» und «Die Kids sind okay» zeigten uns früh schon, dass hier keine halben Sachen gemacht werden. Die Reitschule war entsprechend ausser Rand und Band, was für eine Freude.
ZSK sind für ihre grossartigen Punkhymnen genauso bekannt, wie für ihre stets sehr treffend formulierten politischen Statements und den ganzen äusserst amüsanten Mumpitz zwischen den Songs, wie die nicht enden wollenden Lobhudeleien von Joshi an seinen Guitar-Tech Martin. Sehr rührend war auch, als die Haus- und Hof-Fotografin der Band auf die Bühne gebeten wurde, weil es heute ihr 100. Konzert mit ihnen war, wofür sie passenderweise eine kleine Leuchtpetarde geschenkt kriegte. ZSK, wie immer die Band der Herzen. Passenderweise folgte darauf gleich das grossartige «Herz für die Sache», doch kaum ein Song sorgte heute Abend für mehr Randale als das für die Schweiz umgeschriebene «Alle meine Freunde hassen sie SVP». Leider gehen alle schönen Dinge irgendwann zu Ende und mit einem vorzüglichen Cover von WIZOs «Raum der Zeit», bei dem wirklich alle in der Reithalle mitsangen, war der Spass dann vorbei. Fehlte nur noch der Zugabenblock, und mit dem schönen «Und ich höre Dich atmen», dem perfekt zum aktuellen Weltpolitgeschehen passenden «Make Racists Afraid Again» und dem Reitschule-Song schlechthin, dem grossartigen «Antifascista», wars vorbei. Was für eine glorreiche Show, danke, ZSK!
Wie es sich für das Blaue Pferd gehört, war damit natürlich noch nicht aller Tage Abend und es folgten als wundervoll bekömmlichen Mitternachtssnack noch die fantastischen Mr. Linus. Es gibt in unserer heimischen Szene kaum eine vergleichbare Band und auch an diesem Abend bewiesen die Drei, dass sie es wie niemand sonst verstehen, gewaltige Soundwände auf uns niederzuschmettern. Brachial, dröhnend, unglaublich laut und unglaublich gut. Zwischen diesen exquisiten Post-Hardcore-Anschlägen zeigte sich die Band gewohnt charmant und schüchtern, als sie zum Beispiel erzählten, wie sie immer schon im Rössli spielen wollten oder vielleicht sogar mal im Dachstock. Leider sei ihnen beides noch nicht gelungen, dafür seien sie nun hier in der Grossen Halle. Sehr sympathisch, und wirklich einfach einzigartig. Die sphärisch dröhnenden Riffs, der fabelhafte, mehrstimmige Gesang und die kreativen, herausfordernden Kompositionen luden dazu ein, die Augen zu schliessen und einfach zu geniessen. Was für ein perfekter Abschluss dieses Abends.
Damit war dann endgültig Feierabend und der erste Tag des Blauen Pferds 2025 Geschichte. Es war wie jedes Mal ein Fest und es gilt ein riesengrosses Danke an alle, die dabei mithelfen, dieses glorreiche Festival möglich zu machen. Die Vorfreude auf den morgigen Tag ist bereits riesig.