Hallenstadion – Zürich
Dienstag, 28. November 2023
Text: Cyril Schicker
„Liebe Konzertbesucher, das heutige Konzert findet ohne Vorband statt und fängt daher pünktlich um 20 Uhr an. Bitte beachten Sie auch, dass fotografieren während des Konzerts nicht erlaubt ist.“ In etwa so begrüsste das Hallenstadion seine Gäste. In etwa so fühlt sich ein Schneeball in der Sauna.
Doch darauf geschissen (nein, nicht auf den Schneeball und schon gar nicht in die Sauna), denn passgenau um Acht triumphierte Björk auf. Für gerade mal eineinhalb Stunden. Ja, die unnachahmliche Isländerin setzte die Konzertdauer auf Diät, das Konzert als solches war allerdings zauberhaft üppig, bezaubernd opulent.
„Cornucopia“ wurde nach Björks letztem Album „Utopia“ als Residency-Show im New Yorker The Shed konzipiert. Ihre gestrige Show war mit dem aktuellsten Longplayer „Fossora“ angereichert. Die Isländerin dazu: „Cornucopia war immer als Welt für Utopia und das darauffolgende Album gedacht, dass jetzt unter dem Namen Fossora erschienen ist. Ich freue mich also sehr darauf, dass diese beiden Welten in diesem Herbst in Europa aufeinandertreffen.“
Und diese Welt war wie nicht von dieser Welt. Vibrierende Blütenblätter, die sich zu immer neuen Formen zusammensetzten, zitternde Stempel-Tentakel, die sich vereinten, trennten, neu formierten, Achterbahnfahrten durch unendliche Netzwerke von Wurzelgeflecht. Silberne Vorhangfäden mit darüber hastenden Phantasmagorien …
Ebendiese elektrisierenden digitalen Visuals faszinierten gleichermassen wie die eklektischen Bühnenbilder. Obendrein zogen Flötenseptett, Klarinettisten, Harfenspieler, Percussions, Elektronik, spezielle Hallkammer und eine schier unerschöpfliche Anzahl an weiteren auf die Show massgeschneiderten Instrumenten in den Bann.
Und dann war da natürlich noch Björk. Die musikalische Ausnahmeerscheinung. Die Pop-Elfe. Die Bühnen-Grandezza. Die Traumwelt-Künstlerin. Die Notenschlüssel-Extravaganz. Björk verbannte fast sämtliche Bausteine der populären Musik. Bass und Beats? Fehlanzeige. Perkussion gabs auf kleinen Trommeln oder mit Gefässen in Wasserbecken. Eingängige Melodien? Die hat Björk schon lange hinter sich gelassen. Dafür liess Björk harmonische Schichtungen aus luftigen Akustikklängen hochleben.
Mehr als 20 Jahre Musikjournalismus – und noch lange nicht genug! Bis gestern dachte ich, ich hatte sie schon alle (aussergewöhnlichen Künstler gesehen). Doch da geht noch was. Danke, wundervoll-verwunschene, wunderbar-anmutende Björk, dass du mich derart beeindruckst.