Halle 622 – Zürich
Donnerstag, 1. Februar 2024
Text: David Spring | Bilder: Anna Wirz + Rey Schulthess
Die Welt der harten Musik wird immer interessanter. Bands getrauen sich, aus engen Genre-Grenzen auszubrechen, erlauben neue Einflüsse sowie Vertriebswege für ihre Musik und allgemein gilt mehr denn je zuvor: alles ist möglich! Das ist aufregend und hält die Musik am Leben. Ein spannendes Beispiel dafür sind Bad Omens aus Richmond, Virginia. Nicht nur holt das Viergespann viel Neues aus dem etwas eingeschlafenen Genre des Metalcores heraus, sie scheuen sich auch nicht davor, Kollaborationen mit artfremden Artists einzugehen oder Plattformen wie TikTok für sich zu nutzen. Und am Ende des Tages sind sie live eine der derzeit hervorragendsten Bands, was ja immer noch am wichtigsten ist.
Dies bewiesen sie vergangenen Donnerstag eindrucksvoll, als ihre «Concrete Forever»-Tour einen Halt in der Halle 622 in Zürich machte. Als Support war die Sängerin Poppy am Start, die erst vor kurzem mit dem Hauptact zusammen die Single «V.A.N.» veröffentlicht hatte. Metal ist für die US-amerikanische Künstlerin trotz ihrer Pop-Beginne nichts fremdes und so trat sie mit Band und erstaunlich harten Klängen auf. Was folgte war eine unglaublich wilde Mischung aus Metal, Pop, J-Pop und EDM, die manchmal ziemlich schwer nachzuvollziehen war. Dass Poppy verdammt talentiert ist, stand ausser Frage, ihre Stimme wechselte mühelos von an Babymetal erinnernden, süsslichen Tönen zu wilden Schreien und Growls. Auch hängte sie sich für einige Songs eine Gitarre um und passte spätestens dann perfekt auf die Bühne einer Metal-Show.
Auf der negativen Seite fiel allerdings auch Poppys eher überhebliche, beinahe arrogante Art und Weise auf. Weder ein «hallo» noch ein «danke» fand jemals den Weg über ihre Lippen, und das Set wirkte so etwas heruntergespielt. So oder so, viele der Anwesenden wussten ihre wilde und interessante Musik zu schätzen – und wie eingangs erwähnt sind es genau solcherlei Experimente, die Bad Omens zu einer faszinierenden Band machen. Hätten heute noch andere Metalcore-Gruppen gespielt, der Abend wäre wohl nicht gleich im Gedächtnis geblieben. Denn als der Hauptact dann mit einem furchteinflössenden Intro und dem Übersong «Artificial Suicide» loslegte, gab es kein Halten mehr. Die Stimmung in der Halle 622 war ausgelassen und euphorisch, wie schon lange an keinem Konzert mehr. Auch waren mehr Handy-Bildschirme in der Luft zu sehen als jemals irgendwo zuvor. Da mögen viele der alten Schule nun mit den Augen rollen, aber irgendwie passten die leuchtenden Vierecke überall zu der sehr technologisch angehauchten Stage-Show der Band.
Der Sound war fett und druckvoll, vor allem war er der abwechslungsreichen und unvorhersehbaren Musik von Bad Omens dienlich. Das Set bestand mehrheitlich aus Songs der aktuellen Platte. «IDWT$», «The Death Of Peace Of Mind», «Bad Decisions» oder «Just Pretend» wurden alle frenetisch gefeiert und bejubelt, doch waren mit «Limits», «Never Know», «Broken Youth» und «Glass Houses» auch einige ältere Songs dabei. Die Band bewies zudem ein glorreiches popkulturelles Gespür, als zwischen den Songs immer mal wieder Zitate aus den Matrix-Filmen oder der Portal-Gameserie erklangen, die wiederum von bizarren Videosequenzen untermalt wurden. Alles in allem war es ein Fest für die Sinne, die ruhigen, klagenden Momente wurden emotional mitgesungen, die brutalen Breakdowns und fetten Riffs wiederum luden zum Durchdrehen ein.
Eines der grössten Highlights war das bereits erwähnte «V.A.N.», bei welchem Poppy abermals die Bühne betrat und diesen vertrackten, crazy Track zusammen mit Bad Omens performte. In diesem Rahmen räumte die Sängerin voll ab, passt ihre Stimme doch hervorragend zum Sound der Band. Und nicht ganz ungleich der wortkargen Sängerin sagte auch der allseits verehrte Noah Sebastian nicht allzu viel. Zwar rief er die Leute durchaus einige male zum Mitsingen und Abgehen auf, doch davon abgesehen sprach der talentierte Frontmann nicht viel. So stand die Musik schlussendlich trotz allem visuellen Spektakel im Vordergrund und Bad Omens belegten eindrucksvoll, weshalb sie derzeit so gehyped und heiss sind. So war es auch eine wahrhaftige Freude, mal wieder ein Publikum zu erleben, dass so geschlossen und begeistert hinter der Band steht. Selten wurde so textsicher (wenn auch nicht immer ton-sicher) mitgesungen, wie an diesem Abend, und die Stimmung war vom ersten bis zum letzten Song vorzüglich.
Das Ende war mit dem unsterblichen «Concrete Jungle», zu welchem alle ein letztes Mal völlig durchdrehten, und dem brachialen, alles vernichtenden «Dethrone» erreicht. Damit ging eine wundervoll abwechslungsreiche, faszinierende Show zu Ende und Bad Omens wurden ihrem Namen und ihrem Image mehr als gerecht. Zusammen mit der mutigen Wahl des Supports, der sehr coolen Bühnenshow, einem grossartigen Publikum und einer bahnbrechenden, spannenden Band war es ein Konzertabend für die Geschichtsbücher. Und zum Glück wurde das ganze Konzert ja von etlichen Smartphones mitgefilmt, so dass es nicht schwierig wird, sich die Highlights auch im Nachhinein nochmals reinzuziehen. These are the times we live in – schön so!
Setlist Bad Omens [Quelle: Setlist.fm]
- Artificial Suicide
- Like A Villain
- Glass Houses
- The Grey
- What Do You Want From Me?
- Limits
- IDWT$
- Take Me First
- Bad Decisions
- Nowhere To Go
- V.A.N
- Broken Youth
- Never Know
- The Death Of Peace Of Mind
- Just Pretend
Zugaben
- Concrete Jungle
- Dethrone